Schulhoff, Erwin

Hot-Sonate

für Alt-Saxophon und Klavier, hg. von Frank Lunte

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2018
erschienen in: üben & musizieren 5/2018 , Seite 58

Das Saxofon wurde im Lauf des 20. Jahrhunderts immer mehr zum Synonym für jazzige Musik, in Nazi-Deutschland jedoch als „Negerinstrument“ verfemt, was die weitere Entwicklung über Jahrzehnte hemmte. Doch davor begannen in den 1920er Jahren in noch vorsichtigen Anfängen Komponisten wie Maurice Ravel oder Igor Strawinsky, den Jazz hoffähig zu machen, indem sie dessen Elemente in die Kunstmusik verwoben. Den größten Sprung machte da wohl George Gershwin mit seiner Rhapsody in blue.
In Deutschland war es Erwin Schulhoff, der etwa im gleichen Zeitraum eine intensive, „13 Jahre währende Auseinandersetzung mit dem Jazz“ hatte und ebenso Jazzelemente in seine Musik aufnahm. Zudem „adelte“ er bald auch das Saxofon mit seiner 1930 komponierten Hot-Sonate für Altsaxofon und Klavier als klassisches Instrument, so Frank Lunte im dreisprachigen, ausführlichen wie informativen und spannend geschriebenen Vorwort.
Lunte betreute die vorliegende Neuausgabe und verfasste einen Kritischen Bericht mit Angaben zum Autograf, das im Tschechischen Museum in Prag aufbewahrt wird, zu den Abschriften und zur Edition mit zahlreichen Anmerkungen.
Lunte schreibt weiter, wie Schulhoff 1925 das Saxofon in einem dadaistisch gefärbten Artikel „in einem stark triebhaften Zusammenhang“ sah. Er zitiert Schulhoff, der das Saxofon pikanterweise „zu den gebräuchlichsten Gegenständen für die nächtlichen Bedürfnisse der Jeunesse dorée“ zählte und „eine Saxophonbläserin als Symbol der Aufforderung“ verstanden habe.
Doch schien, so Lunte weiter, die Zeit für das Saxofon reif zu werden, als der Saxofonpionier Gustav Bumcke – manch einer wird noch die alte Schule von ihm besitzen – 1925 am Stern’schen Konservatorium in Berlin eine Blütezeit dieser „Blechklarinette“, wie sie eine Zeitlang auch hieß, begründete.
Die nicht ganz einfach zu spielende Hot-Sonate entstand nicht in Schulhoffs Eigeninitiative, sondern war ein Auftragswerk der Funkstunde A. G. Berlin, eine junge Rundfunkanstalt, die in jenen Anfangsjahren zahlreiche Auftragskompositionen vergab. Die Uraufführung fand am 10. April 1930 mit dem Saxofonisten Billy Barton statt. Schulhoff nahm noch Korrekturen vor, die insbesondere „die Vereinfachung der Saxophonstimme der hohen Lage betreffen“.
Vorliegende Ausgabe gibt nicht nur den Originaltext wieder, sondern mit verschiedenen „Ossia“-Stimmen erstmals den Text der Uraufführung. Da Frank Lunte als begnadeter Saxofonist oft durch Deutschland tourt, gibt er zudem wertvolle Infos zur Spielpraxis. So sollen die Glissandi keinesfalls akademisch ausgeführt werden, die sparsam verwendeten Dynamikangaben ermöglichen dem Interpreten „eine durchweg elastische und freie dynamische Gestaltung im Sinne der ausgelassenen Hot-Stilistik der 1920er Jahre“.
Werner Bodendorff