Berlioz, Hector
Hymne sacré
für Bläsersextett, Partitur und Stimmen
Hector Berlioz ist für seine würzige Orchestrierung hinlänglich bekannt, seine Instrumentationslehre von 1844, die Richard Strauss noch 1905 revidierte und ergänzte, übte maßgeblichen Einfluss aus auf die europäischen Komponisten bis ins 20. Jahrhundert hinein. Berlioz gehört auch zu den ersten französischen Komponisten, der das in den 1840er Jahren entwickelte Saxofon und das ebenfalls von Adolphe Sax entwickelte Saxhorn in die Bläserensembles und Militärorchester einführte.
So besetzte Berlioz diese in seiner kurzen, etwa sechsminütigen Hymne sacré für Bläsersextett. Nicolas Prost gab sie heraus und verfasste außerdem das kurze, dreisprachige Vorwort. Die Uraufführung fand demnach am 3. Februar 1844 in Paris statt. Adolphe Sax selbst soll sogar den Saxofon-Part gespielt haben und es sei das erste Mal gewesen, dass ein Saxofon in einem Konzert zu hören war.
Selbst die Originalbesetzung ist noch bekannt: Nach der Pariser Musikzeitschrift La gazette musicale bestand diese aus einer Trompete und einem Flügelhorn jeweils in Es (hier auch bekannt als Piston), einem großen Flügelhorn in B, einer Sopran- und einer Bassklarinette und einem Bass-Saxofon in Es. Vorliegende Ausgabe ist allerdings laut Vorwort „eine freie Nachschöpfung des verloren gegangenen Werkes Hymne sacré pour les instruments de Sax“.
Hier sei die Frage erlaubt: Wie frei ist diese „Nachschöpfung“? Warum wurde nicht die angegebene Besetzung gewählt, sondern eine mit Instrumenten, die, wie die Trompete in C oder das Saxhorn in B, heute nicht mehr üblich sind, außer es wird dafür eine weitere Bassklarinette besetzt? Warum dann nicht gleich ein Serpent in B (das noch Mendelssohn und Wagner besetzten) oder eine Ophikleïde in B (Klappenhorn)? Letztere besetzte Berlioz in seiner Symphonie fantastique.
Für das „große Flügelhorn in B“ könnte immerhin noch ein Tenorhorn gefunden werden, das Basssaxofon in Es (heute in B) ist inzwischen das Baritonsax in Es. Das Saxhorn ist wie die Bassklarinette indes unüblich im Bassschlüssel notiert. B-Stimmen im Bassschlüssel beispielsweise für die B-Posaune sind aber inzwischen veraltet. In Archiven süddeutscher Dorfkapellen finden sich noch welche, ebenso im älteren Stimmenmaterial von Militärorchestern. Alternativvorschläge sind leider nicht vorhanden. Gewichtige Gründe, weshalb der Kreis derjenigen, die das Stück überhaupt spielen können, verschwindend klein und umsatzfeindlich für den Verlag wird.
Schade. Einfallsreicher wäre beispielsweise ein Satz nur mit Saxofonen gewesen von Sopranino oder Sopran bis Bariton, wahlweise mit Klarinetten, Flügelhörnern/Trompeten oder weiteren Blasinstrumenten. Oder der Verlag hätte wie in den Schulmusik-Ausgaben nur Stimmen mit den Hinweisen B/Es/C gedruckt. Da hätten sich sicherlich mehrere interessierte MusikerInnen gefunden, die dieses Stück für einen feierlichen Rahmen in Kirchen aufgeführt hätten.
Werner Bodendorff