Spiekermann, Reinhild

Ich mache mich selbstständig – aber wie?

Was man als freiberufliche Instrumentallehrkraft zu beachten hat

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 6/2013 , musikschule )) DIREKT, Seite 04

Bei einer geplanten Selbstständigkeit müssen unzählige Aspekte durchdacht und entschieden werden. Nicht immer fällt dies leicht, zumal Instrumentallehrkräfte die Zeit ihres Studiums zunächst für künstlerische und pädagogische Professionalisierung nutzen (sollen). Reinhild Spiekermann gibt eine Übersicht über die Dinge, die man als Selbstständiger zu beachten hat. In den folgenden Ausgaben werden einzelne Aspekte weiter vertieft.

Wer sich als Instrumentallehrkraft selbst­ständig macht, sieht sich vielen Fragen gegenüber. Angebote zur Berufskunde oder Karriereplanung gehören zwar inzwischen an vielen Musikhochschulen zum regulären Studienangebot. Allerdings werden diese Angebote durchaus ambivalent aufgenommen: „Sehr interessant, ungemein wichtig, aber es betrifft mich ja jetzt noch nicht.“ Diese Auffassung ist nachvollziehbar, aber irgendwann kommt der „Tag X“, an dem das Berufsleben professionell in die Hand genommen werden muss.
Eines der Probleme einer umfassenden Professionalisierung unseres Berufs ist die Tatsache, dass die meisten Musikstudierenden bereits während ihres Studiums anfangen zu unterrichten (bzw. zu konzertieren) und in ihre spätere Berufstätigkeit „irgendwie“ hineinrutschen. Das im Studium begonnene und zunächst diffus gestaltete Patchworkmuster beruflicher Tätigkeit wird fortgesetzt, und oftmals bleibt es dann bei einer eher zufällig gewachsenen Struktur.* Die Ursachen liegen in äußeren Zwängen (Existenzdruck, Ort, Zeit), aber auch in „inneren“: Unwissenheit, Angst oder auch Ratlosigkeit führen dazu, dass notwendige Schritte unterbleiben oder nur zögerlich in Angriff genommen werden.
Im Folgenden soll eine Übersicht geboten werden über die Aspekte, die man im Falle einer Selbstständigkeit zu beachten hat. Sie lassen sich grob unterteilen in:
– Management/Organisation
– Marketing
– Soziale Absicherung und
– Steuern/Finanzamt.
Auch wenn in der Realität Mischformen von freiberuflicher und angestellter Tätigkeit sehr häufig sind, soll es hier um die „Reinform“ der Freiberuflichkeit gehen. Umfassende Details zur Komplexität bei unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen findet man bei Rüdiger Lühr im Ratgeber Musikschullehrkräfte (ver.di, Berlin 2011). Für Fragen zur ausschließlichen Selbststän­digkeit sollte der Ratgeber Selbstständige von Goetz Buchholz (mediafon, Berlin 2011) benutzt werden.

Management/Organisation

Es stellt sich zunächst die Frage nach der Unterrichtsstätte: separater Raum in einer (Miet-)Wohnung, angemietetes Atelier (eventuell als Gemeinschaftsraum alternierend mit anderen Nutzern), öffentliche Räume (Kirche, Gemeindezentrum, Schule) oder auch eine „mobile“ Variante (Musikmobil, „Musik auf Rädern“). Die Ausstattung muss überlegt werden: Instrumente, Noten, Bücher, PC, Medien, Mobiliar. Pädagogisch verantworteter Unterricht umfasst eine gute Wochenplanung in ihren jeweiligen Unterrichtssequenzen. Hierfür ist eine Struktur anzulegen: Sowohl das „alte“ Karteikastensystem als auch eine digitale Verwaltung haben ihre je eigenen Vorteile. Gute Ideen und Musterlisten finden sich bei Stefan Lindemann in Marketing und Management für Musikpäda­gogen (Bosse, Kassel 2002, aktualisierte Neuauflage im Herbst 2013). Zur Qualitätssicherung des eigenen Unterrichts wird man fündig bei Dieter Fahrner: Begeisternd und kompetent unterrichten (Schott, Mainz 2013).
Dreh- und Angelpunkt einer professionellen Lehrtätigkeit ist ein Unterrichtsvertrag, der die wichtigsten Punkte zwischen Lehrkraft und Schülern bzw. Eltern regelt. In der Regel wird es sich dabei um einen Dienstvertrag handeln, bei dem lediglich das „Bemühen“ geschuldet wird (beim Werkvertrag muss ein „Werk“ abgeliefert werden). Musterverträge stellt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bereit (www.verdi.de – Suchbegriff: Musterverträge), alternativ kann man bei Mitgliedschaft im Deutschen Tonkünstlerverband (www.dtkv.org) gegen eine geringe Gebühr Verträge bekommen. Wer einen individuellen Vertrag erstellen möchte, sollte diesen rechtlich prüfen lassen. (Zu Vertragsdetails bzw. Kalkulation von Honoraren vgl. Lindemann oder Lühr.)
Sinnvoll ist es, von Anfang an ein Geschäftskonto zu eröffnen, um den privaten und beruflichen Geldverkehr übersichtlich zu verwalten. Die Organisation von Schülerdaten kann gut im eigenen PC angelegt werden, für Selbstständigkeit in Form einer eigenen Musikschule sollte jedoch eine dafür eigens programmierte Software mit entsprechender Serviceleistung genutzt werden (z. B. www.msvplus.de).

Marketing

Die Vermarktung der eigenen Dienstleistung muss hohe Priorität haben. Selbst wenn ein Schülerstamm am Ende des Studiums vorhanden ist, kommen doch viele in die Situation, in einer neuen Umgebung ganz von vorn anfangen zu müssen. Lindemann stellt die wichtigsten Werbemedien und Vorgehensweisen vor. Die Gestaltung einer eigenen Website erfordert den größten Planungseinsatz, muss man hier doch Rechenschaft ablegen über sein Produktprofil: In welcher Gewichtung stehen Unterrichten, Konzertieren, eventuell Produzieren; welche Informationen über mein Unterrichten möchte ich im Netz veröffentlicht sehen etc. Um eine Internetpräsenz aufzubauen, wird einiges Ausgangsmaterial benötigt: professionelle Fotos, Audiodateien, eventuell Materialien, die zum Download bereitgestellt werden sollen. Viele „selbstgestrickte“ Websites von Inst­rumentallehrkräften sind von zweifelhafter Qualität! Es lohnt sich, in diesem Bereich die Dienstleistung von Profis in Anspruch zu nehmen, wenngleich dies nicht billig ist. Eine sehr gute Möglichkeit bieten „Baukastensysteme“ wie z. B. das von Till Schumann (www.musikerseiten.de).

Soziale Absicherung

Durch das Künstlersozialversicherungs­gesetz (KSVG) von 1983 werden auch selbstständige Künstler und Publizisten über die Künstlersozialkasse (KSK) sozial abgesichert. Unter „Künstlern“ versteht der Gesetzgeber diejenigen, die Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffen, ausüben oder lehren. Die KSK ist somit eine Pflichtversicherung, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
– eine selbstständige Tätigkeit als Künstler oder Publizist,
– die Tätigkeit wird erwerbsmäßig betrieben, nicht nur vorübergehend oder als Hobby,
– es werden Einkünfte von mehr als 3900 Euro im Jahr erzielt (Ausnahmen für Berufsanfänger),
– die Tätigkeit erfolgt im Wesentlichen im Inland.
Die Versicherten zahlen – ähnlich wie Arbeitnehmer – etwa die Hälfte der Versicherungsbeiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, die andere Hälfte übernimmt die KSK. Diese finanziert sich aus Mitteln des Bundes und aus einer sogenannten Künstlersozialabgabe durch Unternehmen, die künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten. Die KSK ist dabei keine Versicherung, sondern sorgt für den Beitragseinzug der Versicherten, leitet diesen jedoch weiter an die zuständigen Träger der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Die Hö­he der monatlichen Beiträge richtet sich nach dem zu erwartenden Jahresarbeitseinkommen. Dies entspricht dem steuerlich ermittelten Gewinn (Betriebseinnahmen minus Betriebsausgaben), als Schätzgrundlage kann der jüngste Jahressteuerbescheid herangezogen werden. Zu erwartende Veränderungen sollten jedoch mit einbezogen werden. Die Aufnahme in die KSK erfolgt, indem man einen Antrag auf Prüfung der Versichertenpflicht stellt. Antragsunter­lagen wie ausführlicher Fragebogen (über Download oder per E-mail anfordern) bzw. entsprechende Nachweise zur beruflichen Tätigkeit müssen beigelegt werden. Alle notwendigen Infos finden sich unter www.kuenstlersozialkasse.de.
Einen guten Überblick über sonstige Versicherungen (und Reihenfolge ihrer Notwendigkeit) erhält man z. B. im regel­mäßig neu aufgelegten Finanztest Spezial Versicherungen der Stiftung Warentest (www.test.de) bzw. auch über Veröffent­lichungen von ver.di oder DTKV.
Die Altersvorsorge gehört zu den Themen, die am häufigsten verdrängt werden. Auch wenn über die KSK eine Grundsicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung stattfindet, wird dies im Alter nicht ausreichen. Zusätzliche Absicherung ist notwendig, sobald die freiberufliche Existenz auf finanziell einigermaßen gesicherten Füßen steht. Eine erste Übersicht kann man sich verschaffen bei www.existenzgruender.de (Suchbegriff: Altersvorsorge).

Steuern/Finanzamt

Als selbstständige Instrumentallehrkraft muss man sich beim zuständigen Finanzamt anmelden, das heißt die Aufnahme einer selbstständigen (freiberuflichen) Tätigkeit mitteilen. Das Finanzamt übersendet dann einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung/Aufnahme einer gewerblichen, selbstständigen (freiberuflichen) oder land­wirtschaftlichen Tätigkeit (BMF IV A 5). Alternativ kann man sich das Formular (nebst Ausfüllhinweisen) auch bei der Bundesfinanzverwaltung herunterladen (www.formulare-bfinv.de). Für selbstständige Instrumentallehrkräfte ist unter Art des ausgeübten Gewerbes bzw. der Tätigkeit „Freie Musiklehrkraft“ einzutragen. Die Art der Gewinnermittlung ist die Einnahmenüberschussrechnung, die Frage nach einer Kammerzugehörigkeit bzw. Handelsregistereintrag ist zu verneinen. Während bei Arbeitnehmern jeden Monat die Lohnsteuer automatisch einbehalten wird, muss der Selbstständige quartalsweise Steuervorauszahlungen leisten. Diese bemessen sich nach dem voraussichtlichen Jahresgewinn. Es ist sinnvoll, hierfür Rücklagen zu bilden, selbst wenn zu Beginn einer Berufstätigkeit der Verdienst häufig noch niedrig ist und wenig (oder gar keine) Steuern gezahlt werden müssen.

Mitgliedschaften und Medien

Eine Mitgliedschaft im DTKV und/oder bei ver.di bringt nicht nur grundsätzlich eine Solidarisierung der Mitglieder untereinander bzw. gemeinsame Interessenvertretung gegenüber Dritten, sondern hat viele handfeste Vorteile: Rabatte bei kooperierenden Versicherungen, Publikationen, Beratung in Steuer- und Rechtsfragen und vieles mehr (ver.di hat für Beratung von Solo-Selbstständigen die Tochterfirma mediafon eingerichtet: www.mediafon.net). Zusätzlich sollte überlegt werden, eine Auswahl an Zeitschriften zu abonnieren (z. B. üben & musizieren oder neue musikzeitung), um stets auf dem Laufenden zu bleiben.

* Dies kann einer günstigeren Struktur sogar im Weg stehen. Edward de Bono hat darauf hin­gewiesen, dass die „Reihenfolge des Eintreffens von Informationen darüber entscheidet, wie sie angeordnet werden. Aus diesem Grunde ist die Anordnung der Informationen niemals die best­mögliche Anordnung, denn diese wäre von der Reihenfolge des Eintreffens vollkommen un-abhängig.“ Edward de Bono: Laterales Denken. Ein Kurs zur Erschließung Ihrer Kreativitäts­reser­ven, Econ, Düsseldorf 1992, S. 40.