Müller, Mario

Idealist und Netzwerker

Welche Fähigkeiten sollte man als Leiter oder Leiterin einer freien Musikschule haben?

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2018 , Seite 25

Beim Nachdenken darüber, was einen guten Musikschulleiter einer freien Musikschule ausmacht, muss man den Weg bis zur Gründung einer Musikschule in die Überlegungen mit einbeziehen. Die meisten Gründungen von freien Musikschulen nehmen ihren Ausgang in der eigenen Tätigkeit als privater Inst­rumentallehrer. Die Schülerzahl nimmt zu, es gibt Nachfragen nach Unterricht für andere Instrumente – und schon wird der Grundstein für eine Musikschule gelegt.

Der nächste Schritt ist, Räumlichkeiten anzumieten. Man gibt dem Ganzen einen Namen und schon ist die neue Musikschule zum Leben erwacht. In der ersten Zeit, in der die Musikschule noch wenige DozentInnen hat, macht man sich als Musikschulleiter kaum Gedanken über das Management des Unternehmens, da man sich meist noch gar nicht als solches identifiziert. Es ist mehr oder weniger eine Lehrergemeinschaft, in der jeder seiner Tätigkeit nachgeht. Erst wenn die Musikschule wächst und die ersten Komplikationen in Bezug auf Verwaltungsprozesse oder Organisation aufkommen, fängt man wirklich an, das Unternehmen zu ordnen und zu organisieren. Nun wird man vom Musikpädagogen zum Musikschulleiter, an den völlig neue Aufgaben gestellt werden.
Die hier beschriebene Musikschulgründung kommt immer noch sehr häufig vor: Man „rutscht“ sprichwörtlich hinein. Natürlich wäre der bessere und auch empfehlenswertere Weg, die Gründung mit einem Businessplan und auch mit einem klaren Ziel vor Augen zu bewerkstelligen. Auch ist der Standort der Musikschuleröffnung entscheidend für den Erfolg der Schule.
Was macht nun einen guten Musikschulleiter aus? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Aus meiner heutigen Erfahrung sollte ein Musikschulleiter eine kaufmännische Ausbildung haben, gleichzeitig ein guter Psychologe sein und darüber hinaus exzellente Kenntnisse im Eventmanagement aufweisen. Und ein wenig Ahnung von Kulturpolitik wäre natürlich auch noch von Vorteil. Dass ein Musikschulleiter ein guter Musiker und Pädagoge ist, wird ohnehin erwartet.
Alle diese Fähigkeiten in einer Person vereint: So könnte der perfekte Musikschulleiter aussehen. Doch die Realität weiß es besser: Alle Qualifikationen auf einmal kann keiner haben. Das sollte ein guter Musikschulleiter wissen, von diesem Wissen profitieren und daraus seine Schlüsse für eine gute Leitung ziehen.
Die für mich wichtigste Kompetenz liegt im Bereich der Mitarbeiterführung. Eine Musikschule ist ein Dienstleistungsunternehmen, welches nur überleben kann, wenn es gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat. Sie sind das Fundament des Unternehmens. Als Musikschulleiter sollte man seine DozentInnen und MitarbeiterInnen motivieren können und mit ihnen Ziele erarbeiten. Regelmäßige Einzel- bzw. Teammeetings sind unverzichtbar. Mit der Entwicklung eines gemeinsamen Leitbilds werden sich alle MitarbeiterInnen stärker mit der Musikschule identifizieren. Auch nach außen lässt sich eine Musikschule mit klarem Leitbild stärker von Mitbewerbern unterscheiden.
Das Einbinden der MitarbeiterInnen in die Musikschulstruktur hilft dem Unternehmen auch hinsichtlich der Qualität. Hier können Standards gesetzt und beispielsweise gemeinsam Lehrpläne oder gar Prüfungssysteme erstellt und umgesetzt werden. Nur wenn solche Projekte von allen getragen werden, können sie auch erfolgreich sein. Ein Musikschulleiter muss auch wissen, wann er sich zurücknimmt und Entscheidungen bzw. Ideen von seinen MitarbeiterInnen zulässt. Gerade diese Wertschätzung ist für alle Teammit­glieder von äußerster Wichtigkeit, damit eine ­Anfangsmotivation nicht schnell wieder vergeht.
Eine eher unliebsame Tätigkeit ist das Finanzmanagement einer Musikschule. Hier müssen Beitragskalkulationen sowie Honorar- bzw. Gehaltshöhen festgelegt werden. Bei der Kalkulation der Schülerbeiträge hat man natürlich auch immer die Mitbewerber im Blick, da­durch entstehen Obergrenzen. Diese könnte man jedoch überschreiten, wenn eine Musikschule im Vergleich mit anderen Mitbewerbern über ein völlig anderes Know-how bzw. eine wesentlich höhere Ausstattung und einen besseren Service verfügt.
Im Finanzmanagemet ist es wichtig, seine Kalkulationszahlen ständig mit den tatsäch­lichen Zahlen zu vergleichen und wenn nötig Korrekturen vorzunehmen. Je nachdem wie die Korrekturen sind, können diese auch schmerzlich sein – für Kunden, für MitarbeiterInnen, aber auch für den Musikschulleiter selbst. Eine offene Kommunikation ist gerade hier das höchste Gebot. Durch Offenheit gegenüber den DozentInnen und Angestellten schafft man es auch im Bereich der Finanzen, dass das Team z. B. eine Beitragserhöhung für Schüler mitträgt.
Ein weiterer Bereich, in dem man als Musikschulleiter tätig sein muss, ist das Durchführen von Events (z. B. Schülerkonzerte) und das Pflegen eines Netzwerks. Schülerkonzerte, Workshops oder Sessionpartys geben einer Musikschule nach außen ein stärkeres Standing. Hier ist wieder das gesamte Team gefordert, welches der Musikschulleiter führen muss. Ein professionelles Auftreten ist ebenso nötig wie die Qualität der Darbietungen. Es müssen immer wieder neue Konzepte erarbeitet werden, damit die Veranstaltungen nicht mit der Zeit an Ausstrahlung verlieren. Auch hier sollte man als guter Musikschulleiter auf sein Team zählen, das mit Sicherheit einige Ideen für Events hat. Die Leitung muss die Ideen kanalisieren und umsetzen bzw. umsetzen lassen.
Eine zentrale Aufgabe des Musikschulleiters ist das Netzwerken. Hier muss er Präsenz zeigen. Zu einem guten Netzwerk gehören je nach Standort Mitgliedschaften in Vereinen oder Verbänden sowie der ständige Kontakt zu den Kommunalpolitikern. Da eine Musikschule ein Kulturbetrieb ist, sollte sie auch das kulturelle Leben der Stadt mitgestalten. Hier ist gutes Verhandlungsgeschick gefordert, denn gerade bei diesen Treffen und Gesprächen entscheidet sich, wie die Musikschule in der Stadt oder Gemeinde angesehen wird. Bei geschicktem Netzwerken können hier beachtliche Erfolge erzielt werden. Das kann mitunter ein langer Weg sein.
Mein Fazit: Als Gründer einer freien Musikschule muss man in erster Linie Idealist sein. Große Gewinne sind mit einer Musikschule nicht zu erzielen, da das Umfeld eines solchen Unternehmens in einen Subventionsmarkt durch die öffentliche Hand eintritt. Die freie Musikschule erhält in der Regel keine Fördergelder und muss sämtliche Kosten durch Unterrichtsbeiträge erwirtschaften. Ein guter Musikschulleiter muss ein Multitalent sein. Aus meiner fast 30-jährigen Erfahrung kann ich sagen, dass man kontinuierlich in diese Aufgaben hineinwächst. Doch man muss sie zulassen und auf Veränderungen reagieren können. Workshops für MusikschulleiterInnen können hier eine wichtige Hilfe sein. Das Wichtigste zum Schluss: Nicht zu schnell aufgeben!

 

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