Weuthen, Kerstin

Im „Biotop“

Wie Führung an der Musikschule gelingen kann

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2018 , Seite 22

Zwei Ordner voll Material von Ar­beitsrecht bis Marketing, eine Urkun­de über die erfolgreich abgelegten Prüfungen, viele Erinnerungen an schöne Begegnungen und konstruk­tiven Austausch mit KollegInnen und DozentInnen – und viele Fragen. All das hat eine Absol­ventin im Gepäck, wenn sie vom berufsbegleitenden Lehrgang „Führung und Leitung einer Musikschule“ des Verbands deutscher Musikschulen an der Bundes­akademie Trossingen nach Hause zurückkehrt. Was sind Fähig­keiten einer „guten“ Musikschul­leiterin? Wie viel Identität als Musikerin und Pädagogin kann und sollte sie sich bewahren?

An Stellenausschreibungen für Leitungsstellen an Musikschulen lassen sich die hohen Erwartungen an Musik­schulleiterInnen ab­lesen. Gesucht werden Persönlichkeiten, die Kompetenzen im Personal-, Projekt- und Qua­litätsmanagement erworben haben, bei Begriffen wie „Social Media“ und „Fund­raising“ wissend nicken, arbeitsrechtliche Grundlagen kennen, Haushaltspläne und Bilanzen aufstellen können und sich durch ­hohe pädagogische und künstlerische Professionalität auszeichnen. Aber wie kann eine angehende Musikschulleiterin die unterschiedlichen Anforderungen unter einen Hut bekommen? Muss sie das überhaupt oder sollte situa­tionsabhängig die eine oder andere Facette dominieren? Wie lässt sich Führung im „Biotop“ Musikschule gelingend gestalten – für Schülerinnen und Schüler, KollegInnen, Eltern, Politik, Gesellschaft und nicht zuletzt die Musikschulleiterin selbst?
Die Antwort auf diese Frage ist sehr komplex, müssen doch alle oben aufgeführten Interessen bedient und berücksichtigt werden. Im Laufe eines Werdegangs im Mu­sikschul­wesen verändert sich der Blickwinkel auf Musikschulleitung. Für viele Schülerinnen und Schüler soll ein Musikschulleiter vor allem das Klima der Schule positiv prägen und gestalten, die Schule gut repräsentieren und engen Kontakt zu Lehrkräften, SchülerInnen und Eltern halten: „Ein guter Musikschulleiter sollte Engagement zeigen und Freude und Begeisterung für die Musik und die Arbeit mit Kindern ausdrücken.“ (Julia, 15 Jahre, Geigenschülerin an der Musikschule Mönchengladbach).
Neue Ideen zu entwickeln und die Interessen der Schüle­rInnen stets im Blick zu haben, qualifiziert eine Persönlichkeit in den Augen vieler Schülerinnen und Schüler darüber hinaus besonders für eine Aufgabe im Bereich der Musikschulleitung.1 Selbst wenn ein Musikschulleiter je nach Größe seiner Schule unmöglich alle SchülerInnen kennen kann, sollte er sich doch um den individuellen Kontakt zu so vielen SchülerInnen wie möglich bemühen. Denn für den einzelnen Schüler einer Musikschule kann der persönliche Kontakt zum Musikschulleiter bedeutsam und prägend sein. Ein Musikschulleiter, der den individuellen musikalischen Werdegang aufmerksam und wohlwollend beobachtet, durch konstruktives Feedback nach Vorspielen und Wettbewerben Anstöße zur weiteren Entwicklung gibt und durch das Vermitteln besonderer Aufgaben und Projekte individuelle Talente zu fördern versteht, kann sicher für nahezu jeden Instrumentalschüler beflügelnd und wegweisend wirken.

Offene Ohren für Schwierigkeiten

Für eine junge Musikstudentin, die künftig als Instrumen­talpädagogin an einer Musikschule arbeiten möchte, rücken diese persönlichen Erwartungen an Musikschulleiterinnen und -leiter in den Hintergrund. Sie interessieren viel stärker allgemeine politische und gesellschaft­liche Fragen: Wie sehen die Zukunftsperspektiven an Musikschulen aus? Wie schaffen es Musikschulen und ihre Leitungspersonen, BerufsanfängerInnen attraktive Stellen anzubieten und sie für den Beruf des Musikschullehrers bzw. der Musikschullehrerin zu begeistern? Stefan Lindemann zeichnet in seinem Artikel „Wozu noch Musik studieren?“ ein düsteres Bild: „Und plötzlich, nach Verlassen der institutionellen Käseglocke, stößt man auf Dinge, die einen mit wachsender Sorge erfüllen. Man stößt auf die Alltagsrealität. […] Feste Stellen an Musikschulen sind ausgesprochen rar geworden. Es gibt auch dort fast nur noch schlecht bis äußerst miserabel bezahlte Honorarstellen.“2
So können sich Musikstudierende glücklich schätzen, wenn sie im Rahmen eines Praktikums oder bei beginnender Stellensuche auf MusikschulleiterInnen treffen, die ihr Potenzial erkennen und auch über die persön­lichen Möglichkeiten und politischen Mittel verfügen, es entsprechend zu fördern. Offene Ohren zu haben für die anfänglichen Schwierigkeiten und die jungen KollegInnen an den eigenen Erfahrungen teilhaben zu lassen, ist hier ebenso bedeutsam, wie ihnen Sicherheit im Rahmen eines festen Stundendeputats anzubieten.

1 Diese Begriffe und Eigenschaften wurden von den von mir befragten Instrumentalschülerinnen und -schülern der Musikschule Mönchengladbach zwischen 11 und 18 Jahren besonders häufig benannt.
2 Stefan Lindemann: „Wozu noch Musik studieren?“, in: neue musikzeitung, Ausgabe 11/2012, www.nmz.de/artikel/wozu-noch-musik-studieren (Stand: 11.6.2018).

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2018.