Schreiner, Adolf

Immer kleiner

Eine humoristische Klarinetten-Fantasie, welche nur bei abnehmendem Mond geblasen werden darf, für Klarinette und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2008
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 61

Das breite Ausdrucksspektrum der Klarinette hat Komponisten oftmals dazu verleitet Humoristisches für das Instrument zu schreiben. Schon Mozarts Klarinettist Anton Stadler hat Capricen und Heitere Variationen für Klarinette solo geschrieben, deren Charakter besonders durch die Registerwechsel hervorgerufen wird. Von Christian Frehde ist eine Humoreske über O, du lieber Augustin bekannt.
Der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wirkende Adolf Schreiner erzielt in seiner Fantasie Immer kleiner die humoristischen Effekte nicht durch besonders einfallsreiche Themenfindung und Verarbeitung, sondern dadurch, dass im Laufe des gut fünfminütigen Stücks der Korpus der Klarinette auseinandergenommen wird. Dies muss „recht auffallend gemacht werden“. Rudolf Mauz hat die Neuausgabe nach der schon lange vergriffenen C. F. Schmidt-Ausgabe besorgt.
Die Fantasie beginnt in B-Dur mit einem schlichten sequenzreichen Thema und Variationen im Andante. Wenn man über den Druckfehler in der Solostimme in Takt 15 (fis statt f) gestolpert ist, kommt es ab Takt 30 zu einem ungewöhnlichen zweistimmigen Passus, in dem zur Melodie gleichzeitig ein Triller gespielt wird. Nun setzt der Schrumpfungsprozess ein. Die Stürze wird abgenommen und ein Alla-polacca-Teil in Es-Dur setzt das Geschehen noch recht wohlklingend fort. Dann bricht das Klavier aus seiner Nebenrolle aus, moduliert nach D-Dur, damit im nächsten lebhaften Abschnitt, der nur noch auf dem Oberstück gespielt wird, noch ein intonationserträgliches Musizieren möglich ist. Nach dem Verlust des Oberstücks bleiben dann nur noch zwei schräge mit Birne und Mundstück erzeugte Töne im Bereich von As-Dur übrig, ehe das Spektakel mit triumphalen Des-Dur-Akkorden und entsprechend angenähertem Mundstückton beendet wird.
Das Ganze ist ein kurzweiliges Vergnügen, das in einem Schülerkonzert fortgeschrittenen KlarinettenschülerInnen einen kräftigen Applaus sichert, aber auch in einem Recital als allerletzte Zugabe einen unumstößlichen Schlusspunkt setzen kann. Aber Achtung: Immer kleiner entfaltet seinen ganzen Reiz nur, wenn der abnehmende Mond durchs Fenster des Konzertsaals scheint…
Wer sich einen genaueren Eindruck von diesem Stück verschaffen will, dem sei die Website www.youtube.com empfohlen: Dort kann man gleich mehrere Konzert-Mitschnitte, u. a. mit Blasorchester sehen und hören. Hingewiesen sei auch auf die reizvolle Komposition Die zerstreute Brillenschlange für Klarinette, Violoncello/Kontrabass oder andere Bordun-Instrumente und Erzähler von Wilfried Hiller, die sich auf andere Art des Einfalls von Adolf Schreiner bedient.
Heribert Haase