Voss, Rebecca

Initiative für die Kinderstimme

Frühkindliches Singen in der Kita fördern!

Rubrik: Kulturpolitik
erschienen in: üben & musizieren 1/2025 , Seite 57

Sie erscheint wie der stets wieder aufgewärmte kalte Kaffee: die Forderung, das frühkindliche Singen zu fördern. Seit gut 25 Jahren wird der Fokus auf die Singförderung in der ­frühen Kindheit gelegt, doch gibt es vorzeigbare Ergebnisse?

Ende des Jahres 2000 schrieb Susanne Beyer im Spiegel vom „Jaulen der Trauerklöße“ und malte damit ein düsteres Bild der Singfertigkeit in Deutschland (insbesondere in den alten Bundesländern).1 Seitdem reißen die Berichte über die vielen positiven Einflüsse des Singens auf den Menschen nicht ab. Gleichzeitig wird darauf verwiesen, dass in immer weniger Kitas gesungen werde. Zahlreiche Singförderprogramme wurden ins Leben gerufen: Toni singt, Il canto del mondo, Jekiss, Die Carusos etc. Doch es scheint ein Umsetzungsproblem zu geben.

Hohe Belastung päda­gogischer Fachkräfte

Dies soll nicht ein weiterer Beitrag werden, in dem die mangelnde Singfähigkeit von Kindern und frühpädagogischem Personal beklagt wird. Sondern es soll darum gehen, nach möglichen Ursachen des Umsetzungsproblems zu suchen und gleichzeitig Lösungen zu skizzieren. Dabei soll hier klar benannt werden, dass pädagogisches Personal in Kitas und Krippen unter hohem Druck steht: Neben dem eklatanten Fachkräftemangel werden an Kitas und Krippen als dem ersten kindlichen Bildungsort hohe Anforderungen gestellt, die das Fachpersonal erfüllen soll. Die Kinder sollen emotional gestärkt, ko-konstruktiv gebildet, individuell gefördert und zu künftigen demokratischen Mitgliedern der Gesellschaft erzogen werden. Das Ganze soll selbstverständlich gut dokumentiert und im regelmäßigen Austausch mit den Eltern und im Team evaluiert werden.2 Und dann auch noch täglich singen? Was sollen die Fachkräfte denn noch alles leisten? Trotzdem gibt es gute Gründe dafür, tatsächlich alltagsbegleitend in Krippen und Kitas zu singen, denn dadurch ließen sich einige der alltäglichen Herausforderungen (Bildungsanspruch, Diversitätskompetenz, kulturelle Vielfalt…) adressieren.

Gründe für Umsetzungsprobleme

Woran liegt es – neben den oben erwähnten Anforderungen an das Personal in Kitas und Krippen –, dass trotz der vielfältigen Bemühungen in Kitas wenig gesungen wird? Eine Ursache könnte sein, dass Musik in der Ausbildung an Fachschulen für ErzieherInnen und auch in kindheitspädagogischen Stu­diengängen einen zu geringen oder sogar überhaupt keinen Stellenwert einnimmt. Das bedeutet, dass das pädagogische Fachpersonal schlicht nicht ausreichend ausgebildet ist für das Singen mit Kindern.3 Die musikalische Früherziehung wird somit häufig von externen Kräften übernommen. Dadurch kann sich ein alltagsbegleitendes Singen und Musizieren nur schwer einstellen, weil die externe Musikfachkraft nur zu bestimmten Zeiten in der Kita ist und – wenn überhaupt – nur ein Teil der Fachkräfte die Lieder mitlernt.
Ein weiterer Grund könnte im (zu) hohen Anspruch der Fortbildungen liegen. Völlig zu Recht wird immer wieder darauf hingewiesen, dass mit Kindern in einer angemessenen Tonhöhe gesungen werden sollte, damit die kindliche Stimme keinen Schaden nimmt durch unbemerktes lautes Singen in der Vollstimme. Doch die für Kinder angemessene „gute Lage“ (also etwa zwischen d’ und f”) stellt für viele pädagogische Fachkräfte eine wirkliche Herausforderung dar, da die Fachkräfte selbst häufig als Kinder keinen guten Umgang mit ihrer eigenen Singstimme gelernt haben. Der Zugang zur eigenen Randstimme ist oftmals kaum möglich und ausgesprochen ungewohnt.

1 Der Spiegel, Nr. 52, 2000, S. 72-74.
2 siehe hierzu „Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen“; www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf (Stand: 9.1.2025).
3 siehe dazu: Oberhaus, Lars/Nonte, Sonja: „Inklusion in der frühkindlichen musikalischen Bildung. Koopera­tionspotenziale zwischen Erzieherinnen und musikpä­dagogischen Fachkräften in der Kita“, in: Knigge, Jens/ Niessen, Anne (Hg.): Musikpädagogik und Erziehungswissenschaft, Münster 2016, S. 73-88.

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