Vandré, Philipp

Ja, bitte!

Smartphones im Unterricht

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2019 , musikschule )) DIREKT, Seite 07

Flexibilität in der Unterrichtsgestaltung, Praxisnähe, ein breites methodisches Handlungsrepertoire sowie die indivi­duelle Förderung von SchülerInnen auch in Kleingruppen sind pädagogische Herausforderungen einer zeitgemäßen Lehre. Für deren erfolgreiche Bewäl­tigung kann der Einsatz von digitalen Medien sehr hilfreich sein. Deshalb soll­ten wir uns diesen Geräten zuwenden.

An der Stuttgarter Musikschule, an der ich Musiktheorie und Komposition unterrichte, stehen mir ein PC mit Drucker, ei­ne Dokumentenkamera, ein eBoard, eine Hifi-Anlage, einige Tablets und WLAN zur Verfügung. Der Einsatz von Clouds und die Vernetzung über Social Media ermöglichen die pädagogische Begleitung meiner SchülerInnen auch über die Unterrichtsstunde hinaus. So weit so gut. Mittlerweile sind auch viele allgemeinbildende Schulen in ähnlicher Weise ausgerüstet, und doch bleiben die technischen Geräte oft ungenutzt. Warum nur?

Gewohnheiten des Alltags

Im alltäglichen Umgang mit digitalen Medien erwarten und erleben wir, dass sie uns mit nur wenigen Klicks oder Tipps das Gewünschte präsentieren. Wir begegnen den Geräten vornehmlich als Konsumenten. Dass digitale Medien jedoch ihren pädagogischen Wert erst dann gewinnen, wenn wir sie als gestaltbare Lehrmittel begreifen, ist noch immer weitgehend unbekannt; und die Fähigkeit zu erkennen, welche Potenziale beispielsweise in einer App stecken und in welcher Vielfalt die Geräte auch den Musik- und Instrumentalunterricht bereichern könnten, ist kaum geschult. So bleiben pädagogisch lohnende Perspektiven noch immer weitgehend unentdeckt.

Eigenverantwortliches Lernen

Ich möchte einen Einblick in ein Konzept geben, das ich für meinen Musiktheorie­unterricht in Kleingruppen von fünf bis acht SchülerInnen entwickelt habe und das überhaupt erst durch die Bereitstellung von digitalen Medien möglich wurde. Das Konzept ist für eine Arbeitsphase über mehrere Wochen – auch begleitend im Instrumentalunterricht – wie für einen Workshop geeignet. Jede Schülerin und je­der Schüler erhält folgende fünf Aufgaben:
1. Ich wähle ein (musikalisches) Thema, über das ich selbst mehr erfahren und das ich mit den anderen in der Gruppe teilen möchte.
2. Ich sammle zum Thema Texte, Bilder, Videos und Hörbeispiele und arbeite mich in mein Thema ein.
3. Ich wähle aus, was mir für mein Thema (besonders) wichtig erscheint, und fasse das gesammelte Material zusammen. Dabei kann ich auch das Thema selbst nochmals eingrenzen.
4. Ich überlege und entscheide mich, in welchem Format ich mein Thema auf­bereiten möchte, z. B. als Podcast, Video, eBook, Minibook, Zeitschrift, Poster, QR-Code-Rallye etc.
5. Ich erstelle ein Lernmedium in dem gewählten Format.
Die SchülerInnen recherchieren, sammeln und sichten also Materialien mithilfe von Smartphones und Tablets, arbeiten die für sie relevanten Informationen heraus und verankern ihre Erkundungen, indem sie ihr Thema in einem selbst gewählten Medium für andere SchülerInnen aufbereiten. Dabei werden die Arbeitsmaterialien auf Cloud-Servern abgelegt, sodass die SchülerInnen auch zu Hause stets da weiterarbeiten können, wo sie im Unterricht aufgehört haben.

peer2peer als Mehrwert

Jeder Aufgabe folgt eine Reflexionsrunde mit allen SchülerInnen der Gruppe, in der sie sich gegenseitig darüber informieren, womit sie sich gerade beschäftigen, in der sie Fragen stellen können und untereinander Rückmeldung geben. Hier entsteht ein angeregter peer2peer-Austausch, der das eigenverantwortliche Lernen unterstützt und in den die SchülerInnen ihre Erfahrungen und ihr Wissen einbringen. Ich begleite die Runde, indem ich den Rahmen für einen wertschätzenden Austausch setze und erst am Ende ergänzende Informationen, Hilfestellungen oder Anregungen einfließen lasse, wo es sinnvoll erscheint.

Motivation und Lernerfolg

Es ist überwältigend, was die Kinder und Jugendlichen in solchen Prozessen einbringen, mit welcher Motivation sie Themen wählen und bearbeiten und dabei gar nicht realisieren, dass sie lernen. Sie schöpfen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten, entwickeln Selbstständigkeit im Lernen und wachsen an den Entscheidungsfindungsprozessen. Nicht zuletzt verhaftet sich das Gelernte der gesamten Gruppe in jedem Einzelnen sehr viel tiefer, als es eine frontale Wissensvermittlung jemals könnte.