Autschbach, Peter

Jazz Gitarrenbu.ch

Jazz muss nicht kompliziert sein!, mit Online-Videos

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2021
erschienen in: üben & musizieren 3/2022 , Seite 62

Peter Autschbach ist ein fleißiger Mann. Neben zahlreichen Konzerten und Workshops hat er sich in den vergangenen Jahren auch als Autor einen Namen gemacht. Sein neuester Band richtet sich an fortgeschrittene GitarristInnen, die den Einstieg in die Welt der Jazzgitarre suchen. Statt theoretischer Erklärungen setzt der Gitarrist aus Siegen auf praktische Elemente und steigt direkt mit der wichtigsten Jazzakkordfolge ein: der II-V-I-Verbindung. Nach ein paar typischen Voicings und einer guten Erklärung des Swing-Anschlags kommt auch schon die Tritonussubstitution und Kombinationen der vorgestellten Akkorde.
Weiter geht’s mit dem Jazzblues. Anhand dessen Akkordfolge übt der Jazz-Neuling Shell Chords, Vierklänge und Guidetones und erhält diverse Solos, in denen Akkordtonumspielungen, Tonleiterpatterns und Arpeggios kombiniert werden. Für Jazz-AnfängerInnen dürfte dieser Teil für ein paar Monate Übeprogramm reichen; einfach ist das nicht, aber dafür fundiert und auf den Punkt gebracht.
Unter dieser Prämisse geht es weiter. Autschbach erklärt die Durtonleiterfingersätze inklusive Sequenzübungen, zeigt, wie man sie in Licks anwendet, und schafft den Sprung zu den Kirchentonleitern. Sein Ansatz ist dabei sehr jazz-geprägt, ein Crossover vom Rockgitarrenspiel zum Jazz, bei dem Pentatonik und die Jazzharmonik kombiniert werden, ist nicht Autschbachs Ding. Für ungeübten Jazz-HörerInnen wirken daher manche Linien und Phrasen zunächst abstrakt, aber mit der nötigen Übezeit und Beschäftigung dürfte sich das schnell legen.
Zur Veranschaulichung gibt es zu jedem Notenbeispiel ein YouTube-Video, in dem der Autor das Beispiel vorspielt und teilweise mit weiteren Erklärungen versieht. Das hilft ungemein, denn so wird aus den notierten Phrasen Musik, die gar nicht mehr so abstrakt klingt. In zackigem Tempo versorgt Autschbach willige Studierende mit weiterem Material: II-V-Verbindungen in Moll mit Chords und Licks sowie die alterierte und Halbton-Ganzton-Skala sind weitere Bausteine aus dem Jazzbaukasten, die dann über typische Akkordfolgen wie den I-VI-II-V-Turnaround oder die Changes von All The Things You Are und Blue Bossa angewandt werden. Ausflüge in die Rhythm Changes und das Jazz-Solo-Gitarrenspiel runden den Band ab.
Hat man sich durch alle Beispiele gearbeitet und ist in der Lage, das Gelernte in Stücken anzuwenden, besitzt man eine solide Grundlage für das Jazzgitarrenspiel, die den Vergleich mit einem Grundstudium an einer Hochschule nicht scheuen muss. Ein äußerst kompetentes und gut durchdachtes Werk, das zu einem kompakten Preis eine Fülle an Material liefert, mit dem man – den nötigen Fleiß und Durchhaltevermögen vorausgesetzt – ein paar Jahre den Übealltag gestalten kann. Bis dahin ist dann bestimmt der zweite Band fertig…
Martin Schmidt