Köhler, Wolfgang
Jazz Sonatina
für Violoncello und Klavier
Jazz auf dem Cello für SchülerInnen? Ganz neu ist die Idee nicht, doch nicht immer gelingt der Spagat: Mal gerät der Cellopart rhythmisch oder lagentechnisch eine Spur zu tricky, ein anderes Mal ist das musikalische Resultat (im Interesse der leichten Spielbarkeit) dann doch nicht wirklich spannend. Wie schafft man es, ganz „normale“ CelloschülerInnen für jazzige Harmonien, Rhythmen und Formen zu begeistern? Gemeint sind solche Schüler, die noch nicht in den oberen Lagenbereich eingestiegen sind und zugleich (dies können vermutlich viele FachkollegInnen bestätigen) am allerliebsten Melodien aus Fluch der Karibik und ähnlich eingängige Hits spielen.
Ein Beispiel für einen gelungenen Brückenschlag liegt nun vor. Wolfgang Köhler ist ein echter Profi: Der 1960 Geborene hat Jazz von der Pike auf gelernt. Nach Studien in Berlin und den USA spielte er in der RIAS-Big- Band, in verschiedenen Formationen mit Koryphäen wie Jiggs Whigham und Randy Brecker und arbeitete für zahlreiche Theater-, Film- und Fernsehproduktionen. Zugleich ist er passionierter Lehrer: seit 1992 zunächst als Lehrbeauftragter an der Berliner UdK, seit 1999 als Professor an der dortigen Hochschule für Musik.
Köhlers dreisätzige Jazz Sonatina zeugt von kompositorischer Fantasie ebenso wie von Einfühlungsvermögen in die Möglichkeiten (und Grenzen) eines Celloschülers. Das Stück steht in C, es beginnt mit einem Jazz Waltz, der im ternären Achtelrhythmus gespielt werden soll. Der melodische Verlauf ist einerseits so schlicht, dass genügend Gehirnkapazität zur Realisierung der swingenden Achtel übrig bleibt, andererseits entwickelt sich eine ansprechende Jazz-Melodie mit Ohrwurmqualitäten. Es folgt ein langsamer Satz in c-Moll – gespielt in „straight 8“ – inklusive kurzer Blues-Kadenz, und als Finalsatz schließt sich unter dem Titel „Latin Jazz“ eine stark synkopenhaltige Rumba an. Reizvoll kontrastierend zum Anfangs- und Schlussabschnitt mit seinen kräftigen Klavierbässen erklingt im Mittelteil eine schwebende E-Dur-Passage, in der sich das Cello einmal tenoral und einmal im tiefen Register kantabel vernehmen lässt.
Den Cellopart hat die Berliner Cellopädagogin Christiane Köhler mit gut spielbaren Fingersätzen und Strichempfehlungen versehen. Der Tonraum übersteigt das a’ nicht, allerdings bedarf es einer sicheren Beherrschung auch der zweiten und dritten Lage. In punkto rhythmischer Wendigkeit wird dem Schüler oder der Schülerin im Finalsatz einiges abverlangt. Zur perfekten Realisierung des raffiniert ersonnenen, keineswegs nur begleitenden Klavierparts sind zwei versierte Profihände absolute Voraussetzung. Ein gutes Stück, ein geglückter Spagat – wir wünschen fröhliches Jazzen auf dem Cello!
Gerhard Anders