Condon, Eddie

Jazz – wir nannten’s Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: LangenMÜller, München 2016
erschienen in: üben & musizieren 3/2017 , Seite 53

Begnadeter Banjonist, Club-Inhaber, Konzertveranstalter, Produzent – eine Jazz-Persönlichkeit seiner Zeit. Dabei war er alles andere als ein spektakulärer Erneuerer und auch keiner, der letzten Endes stilprägend gewesen wäre. Und doch: Bereits sehr früh (im New York der späten 1920er Jahre) setzt er wesentliche Impulse für seine Musik, den „alltime dixieland jazz“.
Die Rede ist von Eddie Condon, dessen Autobiografie, vor 70 Jahren erschienen (die deutsche Erstausgabe stammt von 1960), nun dankenswerterweise in einer überarbeiteten und ergänzten Neuauflage vorliegt, mit einem launigen Vorwort von Götz Alsmann und Erinnerungen von Tochter Maggie Condon an ihren Vater sowie einem würdigenden Schlusswort von Hank O’Neal, dem Freund, Fotografen und Herausgeber von Eddie Condon’s Scrapbook of Jazz.
Condon wird zu Beginn des 20. Jahrhunderts hineingeboren in eine geschwisterreiche musikalische Familie; um 1920, kaum 16-jährig, hat er bereits sein erstes Banjo und zieht mit kaum mehr als minimalster Schulbildung ­hinaus, immer der Musik nach. Über Chicago kommt er schließlich nach New York, wo er in allerlei wechselnden Bands spielt und dort schwarze und weiße Musiker zusammenführt – ein absolutes Novum zu jener Zeit.
Als er Mitte der 1940er Jahre seinen Club eröffnet, trägt zum ersten Mal ein Jazzclub in Manhattan den Namen eines Musikers. Das „Eddie Condon’s“ firmiert für mehr als zwei Jahrzehnte als eine Art „cathedral of jazz“. Ab den frühen 1940er Jahren veranstaltet Condon dann seine legendäre Town-Hall-Konzertreihe. Und ist in all den Jahren befreundet mit Benny Goodman, Bessie Smith, Bix Beiderbecke, Louis Armstrong, Fats Waller…
Eddie Condon – immer von smarter Erscheinung, ausgestattet mit Eleganz und Witz und einer schier unbändigen Musikbegeisterung, „der Mann, der den Jazz lebte“ (wie es in einem Nachruf auf den 1973 Verstorbenen heißt) – gilt Mitte der 1950er Jahre schließlich als bekannte Jazzgröße: Beim Newport Jazzfestival 1954 etwa ist er als Nummer zwei nach Count Basie und noch vor Dizzy Gillespie und Charlie Parker gesetzt.
Wer das Buch von Eddie Condon heute in die Hand nimmt, tut es nicht, weil die Lektüre bedeutende Erkenntnisse verheißen würde. Vielmehr spiegelt sich in dem, was es da zu lesen gibt, in Sprachstil und Erzählrhythmus ganz unmittelbar und unverstellt die Persönlichkeit des Autors und Musikers, seine Art, Musik zu machen. Der Sound des Buchs pulsiert wie die Musik selbst, immer hellwach, mit einem ordentlichen Schuss trockenen Humors, der Erzählton irgendwie juxfidel und augenzwinkernd, sodass man meint, den Autor an einem Glas Bourbon nippen sehen zu können.
Der Autobiografie Eddie Condons kann inzwischen der Rang eines Dokuments zugesprochen werden – weil hier aus der Perspektive desjenigen, der dabei war, Jazzgeschichte lebendig wird.
Gunther Diehl