Protzer, Rue

Jimmy! Der Gitarren-Chef

E-Gitarrenschule für Kinder, Band 1 und 2

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dux, Manching 2017
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 55

Vorbei sind die Zeiten, als es hieß: „Lern erstmal akustische Gitarre, dann kannst du später auf E-Gitarre umsteigen!“ Statt wie früher motivierte Kinder und Jugendliche mit Wechselschlagübungen und Etüden zu langweilen, hat sich heute die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Spaß am Instrument und der Musik wesentlich einfacher zu vermitteln ist, wenn man direkt das Instrument und die Musik spielt, die man möchte.
E-Gitarrenunterricht für Kinder ist also kein Tabu mehr und mit Jimmy! Der Gitarren-Chef liefert der als Jazz- und Pop-Gitarrist aktive Rue Protzer eine zwei-bändige Gitarrenschule, die sich an ganz junge AnfängerInnen ab sechs Jahren richtet. Sofort positiv ins Auge fällt das Design: Jimmy, die durch das Buch führende Comic-Figur, sieht zeitgemäß aus und ist weit entfernt von den seitengescheitelten, fußbeschemelten Kindern aus der Gitarrenschule meiner Jugend. Nach einer gelungenen Einführung in ­Instrument, Zubehör und Notenschrift geht es los mit dem musikalischen Material, das leider nicht ganz so modern ist wie das Design.
Protzer wählt einen Weg, den schon unzählige Klassik-Gitarrenlehrkräfte beschritten haben, und beginnt mit Leersaiten und Melodien in der ersten Lage, die nur in Notenschrift verfügbar sind. Als Studienmaterial dienen Kinderlieder wie Hänschen Klein und andere Klassiker, die im auf der Website verfügbaren Play-along mit Achtel-Akkord-Begleitung etwas angerockt werden. Gegen Ende des ersten Bandes findet man Powerchords und als Abschluss den AC/DC-Klassiker TNT.
Band 2 macht weiter mit Powerchord-Begleitungen, Siebziger-Jahre-Gassenhauern wie Lady In Black, Beatles-Songs und Einsteiger-Rockriffs von Smoke On The Water bis Highway To Hell. Natürlich sind viele dieser Songs und Melodien als Übematerial für Kinder geeignet. Schade ist, dass Protzer das komplette Material aufbereitet wie in zahl­losen Klassik-Schulen. Tabulatur und ein Erklären rocktypischer Strukturen (Lead/Rhythmus-Gitarre) entfällt zugunsten eines an Notation und Tonarten gebundenen Aufbaus. Auch das Lagenspiel und Tonleiter-Übungen wirken im Zusammenhang mit Rock-Melodien etwas bemüht und aus der Klassik importiert.
So bleibt am Ende ein zwiespältiger Eindruck aus modernem Layout und etwas angestaubtem musikalischen Material und Konzept. Mithilfe des richtigen Lehrers kann man anhand der zwei Bände sicherlich die Grundlagen des E-Gitarrenspiels erlernen, wirklich modern und rockig ist das verwendete Song-Material aber größtenteils nicht. Gleiches gilt für den Erklärungsansatz, der meines Erachtens zu stark auf Notenlesen setzt, statt einen eher optischen, am Griffbrett ­orientierten Ansatz zu bieten, der vielen Rock-Songs zugrunde liegt.
Martin Schmidt