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Koch, Michael

Kein Klotz am Bein

Zur Ergonomie des Gitarrenspiels

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 16

Klassische Gitarre und Fußbank gehörten ehedem wie selbstverständlich zusammen. Doch dieses Bild hat sich gewandelt: Das Angebot an Gitarren­stützen und möglichen Varianten der Spielhaltung wächst beständig, ebenso dasjenige an “kleinen Gitarren für kleine Menschen”. Es bieten sich also mittlerweile mannigfache Möglichkeiten, die Ergo­no­mie des Spiels zu beeinflussen.

Beim Gitarrenspiel gibt es drei Wege, um für eine verbesserte Ergonomie zu sorgen:
1. Sitz verändern,
2. Haltung verändern,
3. Gitarre verändern.

Sitz verändern

Kleine SpielerInnen sitzen oft auf zu hohen Stühlen, abschüssige Oberschenkel und damit Wegrutschen des Instruments in Richtung Knie sind die Folge. Dies führt zu Festhalten: Linke Hand und rechter Arm werden (bei rechtshändig Spielenden) zu Haltewerkzeugen. Abhilfe schaffen Stühle in geeigneter Höhe, grob gesagt solche, bei denen die Ober­schenkel mehr oder weniger waagerecht bleiben. So banal diese Intervention ist und so einfach sie im Unterricht meist geleistet werden kann: Wenn nicht gewährleistet ist, dass zu Hause tatsächlich eine entsprechende Sitzgelegenheit zuverlässig genutzt wird, ist die Mühe im Unterricht umsonst.
Das Bestreben, die Gitarre festzuhalten, tritt selbst bei korrekter Sitzhöhe besonders häufig bei korpulenten Spielerinnen und Spielern auf. Bei ihnen ist die Gitarre einfach aufgrund des Körperumfangs so nah zum Knie hin positioniert, dass sie sich veranlasst fühlen, sie festzuhalten. Hier kann es eine große Hilfe sein, die Gitarre durch eine Kordel zu sichern. Diese wird vom Endknopf der Gitarre (oder ersatzweise einem Saugnapf, den man am oberen rechten Rand des Gitarrenbodens anbringt) hinter dem Rücken wieder nach vorn zur Gitarrenstütze geführt und dort befestigt. Bei Verwendung einer Fußbank kann ein weiterer Saugnapf – auf dem Gitarren­boden in Höhe des Halsfußes angebracht – als zweiter Befestigungspunkt dienen.
Die Gitarre wird auf diese Weise am Spieler fixiert und dieser selbst von jeglicher Haltearbeit befreit. So kann der Auflagedruck des rechten Arms vermindert und auch die linke Hand buchstäblich „freigestellt“ werden. Die entlastende Wirkung der Fixierkordel tritt unmittelbar ein und wird vom Spielenden sofort als Verbesserung wahrgenommen und wertgeschätzt. Im Prinzip kann man jeglichem Festhalten der Gitarre durch Verwenden einer Fixierkordel gegensteuern.

Haltung verändern

Bereits 1826 hat Fernando Sor in seiner Gitar­renschule das kardinale Problem der Gitarren­haltung als einen Mangel an Mittenanpassung beschrieben: Die Mitte der Gitarre – der 12. Bund, der Übergang vom Gitarrenhals in den -korpus – befindet sich links der Körpermitte. Dies zwingt GitarrenspielerInnen in eine Asymmetrie: Rechte Hand vor die Körpermitte, linke Hand links neben den Körper. Als Folge versucht sich der Rumpf (im Sinn einer Gleichgewichtsreaktion) einer Mittenposition zwischen den oberen Extremitäten wieder an­zunähern, dazu neigt und/oder dreht er sich nach links.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2017.