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Bauchrowitz, Frank

Kein rechtsfreier Raum

Urheberrechtliche Aspekte bei der Nutzung von KI in der Musikschule

Rubrik: Recht & Versicherung
erschienen in: üben & musizieren 5/2024 , Seite 34

Auch in Musikschulen wird Künstliche Intelligenz auf vielfältige Weise genutzt. Doch wo stoßen die Nutzungen an rechtliche Grenzen? Vieles ist hier noch ungeklärt. Ein kurzer Überblick.

Für den Musikunterricht gibt es verschiedene Bereiche, in denen der Einsatz von KI denkbar ist oder bereits stattfindet. Zum Beispiel könnte man von KI individuelle Übungen für Schülerinnen und Schüler erstellen lassen. Handelt es sich nicht nur um reine Übestücke, sondern auch um ästhetisch ansprechende Ergebnisse, könnte man sich fragen, inwieweit die Stücke bei Musikschulkonzerten aufgeführt oder gar gefilmt und auf einer Plattform hochgeladen bzw. live gestreamt werden dürfen. Dieselben Fragen stellen sich prinzipiell für durch KI bearbeitete Versionen bereits existierender Kompositionen. Interessant ist zudem, inwieweit es legal ist, Notentranskriptionen fremder Werke durch KI erstellen zu lassen.

Wie werden die Werke geschützt?

KIs müssen mit Daten versorgt werden, bevor sie Outputs produzieren können. Im Fall musikalischer Outputs muss die KI Musikdaten (Musik und eventuell Text) nutzen, damit KI-Kompositionen entstehen können. Juristisch wird dieser Vorgang als „Data-Mining“ bezeichnet (§ 44b Abs. 1 UrhG). Data-Mining ist demnach die automatisierte Analyse von einzelnen oder mehreren digitalen oder digitalisierten Werken, um daraus Informationen insbesondere über Muster, Trends und Korrelationen zu gewinnen. Bei der Herstellung der Outputs werden Teile der zu diesem Zweck genutzten Werke zulässigerweise vervielfältigt (§ 16 und 44b Abs. 2 UrhG). So ist zunächst festzuhalten, dass eine Nutzung fremder Werke zum Anlernen einer KI durch die Entwickler und zum Erstellen der Outputs grundsätzlich erlaubt ist.

KIs sind nicht Inhaber von Urheberrechten

Wem stehen aber die Rechte an den Outputs zu? Davon hängt ab, inwieweit die Nutzerin oder der Nutzer der KI (also z. B. die Instrumental- oder Vokallehrkraft) sie in welcher Weise einsetzen darf. Damit urheberrechtlicher Schutz entstehen kann, müsste es sich bei den musikalischen KI-Outputs um Werke handeln. Das Urheberrechtsgesetz stellt für diesen Rechtsbegriff eine Definition zur Verfügung: Demnach gelten als Werke „nur persönliche geistige Schöpfungen“ (§2 Abs. 2 UrhG). Werkschöpfer können also nur natürliche Personen sein. Eine Künstliche Intelligenz ist aber keine Person, sodass sie auch keine Urheberrechte an einem Werk erlangen kann. Ob bzw. wann es KIs geben wird, die einer Person rechtlich gleichzusetzen sind, ist ungewiss. Dies könnte die juristische Bewertung dieses Punkts grundlegend ändern.

Entwickler von KIs sind keine Werkschöpfer

Ein naheliegender Gedanke ist nun, dass die Entwickler bzw. Programmierer der KI Urheberrechte an den Verarbeitungsergebnissen ihrer KI haben könnten. Betrachtet man jedoch genauer, was Programmierer tun, so wird klar, dass auch diese keine Urheberrechte an den Produkten der KIs erlangen können. Entwickler bestimmen, nach welchen Vorgaben eine KI Informationen nutzen bzw. verarbeiten soll. Am Verarbeitungsprozess selbst sind sie aber nicht beteiligt. Es fehlt also die Schöpfereigenschaft der Programmierer.
Da an reinen KI-Outputs Urheberrechte also nicht erlangt werden können, ist die Möglichkeit einer Lizenzierung ebenfalls zweifelhaft. Es muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass KI-Outputs gemeinfrei sind und in der Regel legal verwendet bzw. weiterverarbeitet werden können.

„Plagiats-Output“

Wie sieht es also konkret mit der Nutzung der Outputs im Unterricht oder im Musikschulkonzert aus? Wenn die Outputs gemeinfrei sind, müsste man sie doch ohne Weiteres nutzen können. Das ist grundsätzlich richtig. Allerdings ist es denkbar, dass die Outputs einer bereits vorhandenen Komposition so sehr ähneln, dass die Rechte der Rechteinhaber der Originalkomposition verletzt werden. Schließlich basieren die Outputs auf den dem Data-Mining zugrundeliegenden Werken und werden nach den ästhetischen Regeln dieser Daten verarbeitet. Eine Ähnlichkeit bzw. ein Rechts­verstoß ist daher nicht abwegig.
Juristisch betrachtet könnte die KI eine Bearbeitung eines bereits vorhandenen Werks erschaffen haben, sofern kein hinreichender Abstand zum Originalwerk besteht (§ 23 Abs. 1 UrhG). Dieser Output ist dann nicht gemeinfrei und dürfte nur mit Zustimmung der Rechteinhaber des Originalwerks veröffentlicht oder verwertet werden.

Rechtsverstoß bei Nutzung im Unterricht unwahrscheinlich

Bei der Nutzung solcher „Plagiats-Outputs“ ausschließlich im Unterricht ist ein Rechteverstoß allerdings in aller Regel nicht anzunehmen. Es kann hier weder von einer Veröffentlichung der Bearbeitung bzw. des Plagiats (§12 UrhG) noch von einer Verwertung (§§ 15ff. UrhG) ausgegangen werden. Soll der „Plagiats-Output“ jedoch in einem öffentlichen Schülerkonzert gespielt werden, wäre hierfür die Zustimmung des Rechteinhabers der Originalkomposition notwendig. Hier besteht ein Öffentlichkeitsbezug durch die Aufführung vor Pub­likum, womit die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt sind (§ 15 Abs. 3 UrhG). Gleiches gilt selbstverständlich für einen Upload auf einer Internetplattform oder für einen Konzert-Stream. Wenn der Output als Bearbeitung eines Originalwerks einzustufen ist, wäre die Nutzung auf einer Internetplattform normalerweise auch nicht von den Lizenzvereinbarungen mit der GEMA abgedeckt, die sich lediglich auf nichtumgestaltete Werke (so genannte Coverversionen) beziehen. Alle diese Einschränkungen gelten selbstverständlich nur, sofern es sich um ein „Plagiats-Output“ eines noch nicht gemeinfreien Originalwerks handelt.

KI-Output als Inspiration

Eine andere Möglichkeit, KI zu nutzen, besteht darin, sich von den KI-Outputs inspirieren zu lassen und diese dann selbst zu bearbeiten. Je mehr eigene künstlerische Entscheidungen NutzerInnen bei diesem Verarbeitungsvorgang treffen, desto eher besteht die Wahrscheinlichkeit, dass durch die eigenen kreativen Veränderungen der Outputs auch eine Schöpfungshöhe erreicht werden kann. Gerade wenn die ästhetische Aussage des Outputs stark verändert wird und die Komposition hierdurch einen deutlich anderen Charakter bekommt, kann der menschliche Beitrag für das Erreichen der Schöpfungshöhe ausreichen. Die NutzerInnen der KI können dann auch Urheberrechte an den auf diese Weise entstandenen Kompositionen erlangen (nicht jedoch an dem ursprünglichen Output!). Selbstverständlich sind auch hier Rechtsverletzungen der NutzerInnen durch die Erschaffung und Nutzung von Plagiaten möglich.

Vorsicht bei Transkriptionen von Audiodateien

Eine weitere Möglichkeit, KI für den Unterricht zu nutzen, ist die Notentranskription: Audiodateien vorhandener Werke werden von KIs analysiert und in Notenschrift umgesetzt. Aus urheberrechtlicher Perspektive spricht vieles gegen legale Nutzungsmöglichkeiten solcher Transkriptionsprogramme. Das Transkribieren ist einer Vervielfältigung gleichzusetzen. Das Werk wird von der akustischen Wahrnehmungsform (Aufnahme) in eine optische (Noten) übertragen. Die Rechte für die Werksvervielfältigung liegen aber beim Urheber oder beim Musikverlag.
Auch eine Transkription nach den Regeln der so genannten Privatkopie (§ 53 UrhG) ist nicht möglich. Zum einen wären die Transkriptionen, die im Unterricht genutzt werden sollen, nicht zu privaten Zwecken angefertigt. Zum anderen greifen die Erleichterungen der Privatkopie hier ohnehin nicht, da Noten explizit ausgenommen sind (§ 53 Abs. 4 UrhG). Eine legale Möglichkeit zur Transkription besteht auch nicht, wenn die Musikschule oder die Privatlehrkraft mit der VG Musikedition einen Lizenzvertrag abgeschlossen hat. Gemäß dieser Verträge muss die Vervielfältigung von einer Originalausgabe erfolgen. Das ist bei der Transkription aus Audiodateien nicht der Fall. Auch diese Einschränkungen gelten nur für Werke, die nicht gemeinfrei sind.

KI kann keine Leistungs­schutzrechte erwerben

Erstellt eine KI eine Komposition, kann der Output eine Audiodatei sein. Man könnte sich also fragen, ob hierin nicht eine schützenswerte Leistung besteht. Das Gesetz bestimmt, dass „Ausübender Künstler […] ist, wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt“ (§ 73 UrhG). Geschützt werden sollen auch wieder nur natürliche Personen. Leistungsschutzrechte an Outputs kann eine KI demnach nicht erwerben.

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