Cada, Sibylle

Kinder als Künstler?

Ein Plädoyer für ästhetische Bildung im Instrumentalunterricht

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 50

Haben wir es denn wirklich mit Kunst zu tun im „normalen“ Instrumentalunterricht mit höchst unterschiedlich fähigen und motivierten Schülern? Wo kann überhaupt künstlerisches Handeln ent­stehen in unserer alltäglichen „Kurzstunden-Mühle“? Wie lassen sich künstlerische Kriterien in Ein­klang ­bringen mit einem Instrumen­tal­unterricht, der auf ein Spektrum unterschiedlichster Erwartungen von „Kunden“ trifft, von Spaß und Freizeitbeschäftigung bis hin zu Persönlichkeits- oder Intelligenz­förderung? Und ab wann ist ein kleiner Klavier- oder Geigenspieler ein Künstler?

Bei dem Versuch, Instrumentalunterricht aus dem Blickwinkel „Kinder als Künstler“ zu beschreiben, sind zwei Fragen zu beantworten:
1. Welches sind die künstlerischen Bezugspunkte in einem solchen Unterricht?
2. Wie sollten vor diesem Hintergrund kreative Lernwege für Kinder beschaffen sein?
„Begleiten“ bei meinen Ausführungen wird mich Klaus Mollenhauer, einer der heraus­ragenden Pädagogen des 20. Jahrhunderts. Ihm verdanken wir höchst aufschlussreiche Forschungen über die ästhetischen Erfahrungswelten von Kindern.1
In welchem Sinne kann ich vom „Künstler“ sprechen und Kindern die Möglichkeit eröffnen, Künstler zu sein? Es geht um die Aufmerksamkeit auf das, was mit den Sinnen vor sich geht, und darum, diese Tätigkeit als bedeutsam für das Selbst zu erleben. Es geht um zweckfreies Spielen ebenso wie um das Gefühl persönlicher Autonomie und Kompetenz. Es geht also nicht darum, unsere Schülerinnen und Schüler zu (verhinderten) „Künstlern“ zu machen, sondern um einen Instrumentalunterricht, der sich an künstle­rischen Kriterien orientiert und ästhetische Bildungsprozesse in Gang setzt.
Jeder unserer Schüler hat in diesem Sinn ein Recht auf einen künstlerischen Unterricht von Beginn an. Im Verlauf der persönlichen Lernbiografie eines Kindes wird sich erweisen, ob dieser Unterricht im einen Fall in eine professionelle Ausbildung mündet oder ob er im anderen Fall tüchtige Laienmusiker oder auch „nur“ kompetente Rezipienten heranbildet.

1 Klaus Mollenhauer: Grundfragen ästhetischer Bildung. Theoretische und empirische Befunde zur ästhetischen Erfahrung von Kindern, Weinheim 1996.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2009.