Busch, Barbara / Christoph Henzel (Hg.)

Kindheit im Spiegel der Musikkultur

Eine interdisziplinäre ­Annäherung

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 54

Anlass und Grundlage der hier veröffentlichten Texte bilden die Vorträge einer Ringvorlesung im Wintersemester 2009/10 an der Musikhochschule Würzburg, die eine Einführung in kind- und musikbezogene Aspekte musik­pädagogischer Vermittlung in historischer und systematischer Perspektive geben. So bietet der Band mit seinen lesenswerten Einzelbeiträgen einen ersten Überblick über Themen und Ansätze der musikbezogenen Kindheitsforschung. Diese sind in drei Abteilungen zur Kindheitsforschung, zu musikhistorischen Ansätzen und zu musikpädagogischen Herausforderungen gegliedert.
Im ersten Teil geht es zunächst um Kindheit als anthropologische Konstante und gesellschaftliches Konstrukt (Volker Fröhlich), das im Wandel von Kindheit und Schule beleuchtet wird (Maria Fölling-Albers), bevor Andreas Lehmann musikalisches Lernen aus entwicklungspsychologischer Sicht anhand einzelner empirischer Befunde musikalischer Ent­wicklungs- und Lernforschung darstellt.
Im zweiten Teil rückt das Kind als Adressat der Musik in musikhistorischer Sicht ins Zentrum der Betrachtung (Christoph Henzel; Ariane Jeßulat). In kurzen Skizzen werden die vielfältigen Kindersinfonien, Kinderstücke und Jugendalben als Ausdruck romantischer Kindheitsbilder gedeutet und beschrieben. Dabei könnte ein Blick auf die Kinder- und Jugendliteratur der Zeit auch weitere Aufschlüsse in Bezug auf Kindermusik bzw. einführende Übungswerke für Kinder geben. Zu erinnern wäre in diesem Zusammenhang an Theodor Storms Motto zu Pole Poppenspäler: „Wenn du für die Jugend schreiben willst, darfst du nicht für die Jugend schreiben.“
Der letzte Teil ist dann den eigentlich pädagogischen Fragen gewidmet. Hier stehen Wolfgang Lessings bemerkenswerte Reflexionen zu Adornos Verschränkung von Kindheit und Kunstwerk einer eher beschreibenden Bestandsaufnahme der Bedeutung der Medien für die Musiksozialisation (Thomas Münch) gegenüber. Barbara Stiller leuchtet das neue Arbeitsfeld der konzertbezogenen Musikvermittlung für Kinder aus, woran sich zwei Beiträge zur vokalpädagogischen Praxis in heute verbreiteten Projekten zum Singen mit Kindern wie Primacanta, Chor:klasse, JEKISS, Singen macht Sinn etc. (Heike Henning) und zur Kinderorientierung in der Instrumentalpädagogik (Barbara Busch) anschließen, die den Überblick abrunden.
Die dargebotene Fülle von Aspekten und Ansätzen zur kindbezogenen Musikvermittlung sind bestens geeignet, das eigene Nachdenken und den institutionellen Diskurs zu Fragen des (früh)kindlichen Musiklernens anzuregen und fortzuführen. Die einzelnen Beiträge liefern dazu reichhaltiges Material, aktuelle Informationen und diskussionswürdige Impulse. Ein durch und durch gelungener und daher empfehlenswerter Band!
Wilfried Gruhn