Heller, Barbara

Klangspuren

76 Klavierstücke, Band 1: sehr leicht bis mittelschwer / Band 2: mittelschwer bis schwer

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2013
erschienen in: üben & musizieren 1/2014 , Seite 53

Das Klavier nimmt bis heute eine zentrale Stellung im Schaffen von Barbara Heller ein. Die vorliegende Sammlung war ein Auftragswerk für den Karlsruher Barbara-Heller-Klavierwettbewerb 2013. Entsprechend der Organisation dieses Wettbewerbs sind die Stücke für die Altersgruppen von 4 bis 21 Jahren gedacht und  progressiv angeordnet.
Mit Ausnahme der etwas längeren letzten Stücke des zweiten Bandes handelt es sich um Miniaturen, die kompositorisch immer auf jeweils einer Grundidee beruhen. Die Titel spiegeln nur manchmal diese strukturelle Idee wider, meist sind sie eher bildhaft. Kompositorisch werden Satzformen verwendet wie die Gegenüberstellung von schwarzen und weißen Tasten (quasi „zwei Klaviaturen“), vielfache Be­nutzung der zwei möglichen Ganz­tonleitern, Konzentration auf bestimmte Intervalle, Spiel nur auf schwarzen Tasten, Ostinati in der linken Hand.
Pianistisch reizvoll sind zahlreiche Stücke, bei denen sich beide Hände in schnellen Figuren abwechseln, die Stücke also einen gewissen Etüdencharakter haben. Polyfone Stücke gibt es nur wenige. Durch die zahlreichen Stücke, die mit abwechselnden Händen zu spielen sind, kommt es aber nicht zur Vernachlässigung der linken Hand. Interessant ist immer wieder die rhythmische Seite: Es gibt viele verschiedene Metren (5/8, 9/8, 10/8, auch Taktwechsel im Stück oder auch senza misura), zweimal gibt es Parallelstücke, die bei gleicher Grundidee einmal in Sechzehnteln, einmal in Triolen ablaufen. Insgesamt erfassen die Kompositionen einen weiten Raum auf der Klaviatur. Pedal ist im ersten Heft nur in wenigen Stücken ausdrücklich verlangt, im zweiten Heft dann aber bei der Mehrzahl der Werke.
Während im ersten Heft noch ab und zu Fingersätze notiert sind, fehlen sie im zweiten Band völlig. Einerseits sind die SpielerInnen hier schon fortgeschrittener und sollten in der Lage sein, ihre Fingersätze selbst zu finden, andererseits sind die Stücke oft so komponiert, dass es nicht viele Alternativen für die Finger gibt. Jedes Stück besitzt eine Metronomangabe, die aber nach Aussage der Komponistin lediglich eine Anregung geben soll.
Das Notenbild ist sehr klar, alle Stücke sind auf traditionelle Weise notiert. Lediglich in Nr. 72 ist am Beginn wohl ein Druckfehler passiert: Beide Hände sollen laut Fußnote eine Ganztonleiter spielen, dazu müsste die linke aber im Violinschlüssel notiert sein.
Die Tatsache, dass den Stücken in ihrem formalen Ablauf Kont­rastteile fehlen, wird sicher die Aufmerksamkeit der Spielenden auf die dramaturgische Funktion solcher Ausdrucksmittel wie Dynamik, Phrasierung, eventuell Agogik lenken. Für Lernende kann es interessant sein zu sehen, wie eine Komponistin mit einfachen Mitteln und einem überschaubaren Material arbeiten kann. Lehrkräfte werden hier sicher fündig, wenn sie Literatur suchen, um ihre SchülerInnen an eine moderat zeitgenössische Musik heranzuführen.
Linde Großmann