Klarinettenmusik von Komponistinnen

18 Stücke für Klarinette und Klavier, hg. von Sabine Pfeifer und Barbara Heller

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2020
erschienen in: üben & musizieren 6/2020 , Seite 62

Zumindest posthum erfahren viele Komponistinnen durch die Veröffentlichung ihrer Werke in spezialisierten Verlagen oder in ihnen gewidmeten Notenausgaben eine Wertschätzung. Sabine Pfeifer und die Komponistin Barbara Heller haben bei vierzehn Komponistinnen aus Vergangenheit und Gegenwart klavierbegleitete Klarinettenwerke gefunden und zumeist einzelne Sätze daraus für die vorliegende Sammlung zusammengestellt.
Von Caroline Schleicher-Krähmer (1794-1850), zugleich die erste bekannte Klarinettenvirtuosin, die durch die Lande reiste und für den Eigengebrauch unter anderem eine Sonatine schrieb, wurde ein Larghetto ausgewählt. Ein temperamentvolles „Air slave“ hat die Französin Clémence Grandval geschrieben, die bei Camille Saint-Saëns und Frédéric Chopin studiert hat. Nicht ganz auf der Höhe der Zeit ist ein ausgreifendes Andante von 1870 von Alice Mary Smith. Marie Elisabeth von Sachsen-Meiningens bekannte Romanze von 1892 beschließt die Auswahl aus dem 19. Jahrhundert.
Der langsame Satz aus der Sonate A-Dur op. 57 von Johanna Senfter lässt diese unüberhörbar als Reger-Epigonin erkennen. Die Französin Germaine Tailleferres ist als Mitglied der „Groupe de Six“ bekannt und mit einer leichtgewichtigen Arabesque vertreten. Technisch anspruchsvoll und effektvoll ist das Allegro con fuoco aus einer Suite der in Südafrika geborenen Priaulx Rainier. Die Engländerin Elisabeth Lutyens vermag mit wenigen Tönen kontrastreiche kurze Stücke zu schreiben, von denen drei ausgewählt wurden. Grazyna Bacewicz aus Polen hat das Geschick, ansprechende, gemäßigt moderne Musik zu schreiben, die auch MusikschülerInnen unmittelbar anspricht. Dies gilt für die beiden Sätze Vivo und Allegro non troppo aus den Latwe utwory. Ähnliche Qualitäten zeigt die  klanglich etwas mutigere Miniatur ihrer Landsfrau Krystina Moszumanska-Nazar. Ein musikalischer Ausflug der Französin Ida Gotkovsky nach Norwegen führt sie zu einem lebensfrohen, mit kontrastreicher Dynamik versehenen Image de Norvège: ein dankbares Zugabenstück.
Zwei noch ohne besondere Spieltechniken auskommende Kompositionen aus unserem Jahrhundert sind Tina Ternes Flug der Schwalben, der mit der tonalen Harmonik aus der Zeit gefallen ist und allenfalls durch den programmatischen Titel und dessen Umsetzung etwas Interesse hervorrufen kann; während Barbara Heller, deren pädagogische Intentionen beim Komponieren mitschwingen, anspruchsvoller und mit bedeutsamer Intervallstruktur das kurze Stück Mariendistel und eine ausgedehntere Herbstmusik gestaltet, in der sie den Musizierenden einige Interpretationsentscheidungen überlässt. Francine Aubins Pièce en forme de Jazz rundet die stilistisch vielfältige Sammlung ab, die ein weithin unbekanntes Repertoire erschließt. Mit wenigen Ausnahmen verlangen die Stücke, von denen fünf eine A-Klarinette erfordern, technisch fortgeschrittene InterpretInnen.
Heribert Haase