Hawkins, Wayne

Klavier Aerobics

Ein 40-Wochen-Programm zur Klaviertechnik in verschiedenen Stilrichtungen, mit CD

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Hal Leonard, Milwaukee 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 60

Wayne Hawkins, in Kansas lebender und lehrender Jazzpianist, bietet mit seinen Klavier Aerobics ein 40-Wochen-Programm technischer Übungen in verschiedenen populären Musikrichtungen an. Im Vorwort heißt es: „Ich wollte eine Folge von Übungen ausdenken, die den Schülern Spaß machen.“ An welche SchülerInnen sich das Lehrwerk richtet, das mit rasanten Sprüngen voranschreitet, ist nicht klar. Auf Seite 5 erfahren wir noch etwas über Handhaltung im Allgemeinen und darüber, wie man unabhängig vom Klavier seine Hände erwärmen und dehnen kann. Auf Seite 6 gibt es Anfängerübungen zur Kräftigung der Finger neben Akkordverbindungen mit absurden Fingersätzen zur Dehnung der Hand. In der dritten und vierten Woche soll man dann Boogie-Woogie-Oktaven aus dem linken Arm schütteln, in der elften Woche spielt man großgriffige, gefüllte Akkordgänge kombiniert mit anspruchsvollen Rhythmen.
Die vorgestellten Übungen behandeln separate Themen verschiedener moderner Stilrichtungen, bauen jedoch nicht progressiv aufeinander auf. Natürlich ist das eine oder andere Stück als Etüde oder Einführung in eine bestimmte Stilistik nutzbar. Nach den anfänglichen Aufwärmübungen eignet sich der Hauptteil aber höchstens als Lehrwerk für Klavierspieler mit bereits soliden Fertigkeiten, die sich einen Überblick über verschiedene jazzverwandte Spielarten mit ihren jeweils typischen Rhythmen und Patterns verschaffen wollen. Die Bandbreite reicht dabei von Jazz über Rock bis Bossa Nova und Gospel. Jedoch fehlt hier allen Beispielen die rechte harmonische Würze, um den Schüler neugierig zu machen oder ihn gar dahin zu bringen, einen 40-Wochen-Lehrgang durchzustehen. Auch die unlebendige, vollsynthetisch um Streicherklänge ergänzte Demo-CD wird dabei nicht helfen.
Instrumentaltechnik sollte attraktiv vermittelt werden und wird im traditionellen Klavierunterricht meist nicht isoliert, sondern an Literatur gebunden erarbeitet. Als engagierte Lehrkraft ist man daher immer auf der Suche nach wohlklingendem Repertoire mit technischen Herausforderungen. Kaum jemand kann heute noch ernstlich hoffen, seine SchülerInnen mit Czernys Etüden motivieren zu können. Als Etüdenwerk in genau diesem Sinne muss aber Klavier Aerobics letztendlich gesehen werden, indem hier trockene Technik von spannender Musik getrennt behandelt wird. Wer wie viele Instrumentallehrkräfte die Jazzpädagogik mit ihrem Anspruch, die instrumentale Technik zusammen mit harmonisch verstandender Improvisation auf natürliche, lebendige Weise zu entwickeln, schätzt, sucht nach Anregungen besser anderswo.
Anja Kleinmichel