Pohl, Christian A.
Klaviermethodik
Was Christian A. Pohl, Professor für Klavier und Klaviermethodik an der Leipziger Musikhochschule, mit jahrzehntelanger Arbeit und Unterrichtserfahrung an Klaviermethodik-Wissen zusammengetragen hat, ist beachtlich. Es ist äußerst inspirierend, sich mit den 400 Seiten, inklusive zahlreicher Abbildungen und Notenbeispiele, zu beschäftigen.
Natürlich ist das Wissen im Bereich der Klaviermethodik nicht alles neu und erfahrenen PädagogInnen wird einiges bekannt vorkommen. Neu ist zum einen aber die Vielseitigkeit und Gründlichkeit, in welcher die einzelnen musikalischen Parameter behandelt werden, und der Ansatz, vieles davon zu visualisieren. Dazu erfindet der Autor unterschiedliche Zeichen, welche in verschiedenen Farben in den jeweiligen Notentext oder auch unabhängig davon geschrieben werden sollen. Alles geht mit einer gründlichen Analyse einher, wie wir dies zum Beispiel aus Denken und Spielen von Renate Wieland und Jürgen Uhde kennen.
Christian A. Pohl zeigt in seinem umfangreichen Werk Wege zu einem freudigen Musizieren auf, die das Selbstvertrauen stärken und zudem Sicherheit für die Vorspiel- und Konzertsituation geben. Dazu stellt er im Buch vielseitige Konzepte, Methoden und Modelle zum eigenen Üben vor, alles sehr praxisnah und verständlich formuliert.
Um zu einem individuellen Klavierklang und einer eigenen Interpretation zu finden, werden zudem einige große PianistInnen in der besonderen Art ihres Spiels beleuchtet. Die Beschäftigung mit der Komposition und ein dazu notwendiger Gestaltungsplan sowie ein gut ausbalancierter und vielseitiger Klang bereiten den Weg dazu. Eine lebendige Bildsprache, welche die musikalischen Phänomene charakterisiert, und ein Erkennen und Artikulieren der emotionalen Botschaft helfen zudem, sich in die vielfältigen Facetten des musikalischen Geschehens hinein zu vertiefen.
KlavierpädagogInnen und PianistInnen werden einiges in diesem, während der vergangenen drei Jahre in Zusammenarbeit mit der Edition Peters entstandenen Werk entdecken, was sie zur Vertiefung des eigenen Klavierspiels, der Körperwahrnehmung und zum Gelingen eines Vorspiels oder Konzerts gut gebrauchen können.
Schade ist nur, dass der Autor bei fast allem das Auswendig-Spiel voraussetzt. Hier hat er zu sehr aus der Perspektive eines Hochschulprofessors und dem damit verbundenen Hauptfachunterricht für Pianisten gedacht. Für die meisten ist aber ein differenziertes Spiel nach Noten ein nicht unerhebliches Ziel. Kammermusik, Neue Musik und auch Korrepetition ist zudem für professionelle PianistInnen immer mit dem Spielen nach Noten verbunden. Hier wären Hinweise hilfreich gewesen, die zum Teil an das Auswendig-Spiel gekoppelten Lernmodelle zu modifizieren und den guten Ansatz zur Visualisierung auch auf das Lesen von Kammermusik, Partituren und komplexer grafischer Notation zu erweitern. Diese gründliche und fundierte Abhandlung über die Klaviermethodik ist ansonsten aber absolut empfehlenswert.
Christoph J. Keller