Maurer, Barbara (Hg.)

Kölner Bratschen-Buch

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2020
erschienen in: üben & musizieren 2/2021 , Seite 63

Die renommierte Bratschistin Barbara Maurer konzipiert mit ihrem Kölner Bratschen-Buch eine Sammlung von zeitgenössischer Musik unter ganz besonderen Anforderungen. Zwischen 2012 und 2017 sind an der Kölner Musikhochschule 18 verschiedene Kompositionen für Viola oder Violaduo entstanden. Bratscher und Kompositionsstudierende konnten ge­meinsam Stücke entwerfen, ausprobieren, gestalten und umgestalten. Die Komponistinnen und Komponisten stammten aus den Klassen von Johannes Schöllhorn, Michael Beil und Markus Hechtle.
In drei Auflagen unter dem Titel „Violaprojekt“ wurden Bratscher und Bratscherinnen sowie Kompositionsstudierende unter dem Motto „Dabei sein, wenn komponiert wird! Dabei sein, wenn einstudiert wird!“ zu einer gemeinsamen Musikwerkstatt eingeladen. Die InstrumentalistInnen konnten so auf die Entstehung des jeweiligen Werks partnerschaftlich Einfluss nehmen. Jedes Projekt bestand dabei aus acht bis zehn Treffen.
Herausgekommen ist dabei eine Sammlung sehr gegensätzlicher Kompositionen, die das Spekt­rum zeitgenössischer Spieltechniken, Klang und Geräusch, tonales Klangerlebnis und grafische Notation abdecken. Dabei werden zuweilen die Genres vermischt, z. B. im Titel (und Untertitel): There remained nothing Green. Elf Zeichnungen für Viola (von Noriaki Mori) oder in Beiss mich! für Violaduo von Jing Wang, in dessen Notation eine Vermischung von Klang und Szene stattfindet. Farzia Fallahs Lalayi – ein Schlaflied für H verwendet programmatisch Lyrik von Sohrab Sepheri.
Ein Instrument, das im Allgemeinen der Alten Musik zugeordnet wird, aber gerade eine Renaissance erlebt, ist ebenfalls vertreten im Stück Viola d’amore (von Roman Pfeifer). Ein ungewohnter Anblick, auf die moderne (klingende) Notationsweise für dieses alte, aber leider nur noch wenig bekannte Instrument zu blicken. Dessen spezielle Konst­ruktion mit Resonanzsaiten eröffnet Kom­ponist und Spieler neue reizvolle Klangoptionen.
Kaum ein Stück kommt ohne recht ausführliche Legende und Spielanleitungen aus. Die Komponistinnen und Komponisten haben am Ende des Buchs die Gelegenheit, ihre Ideen für ihre Kompositionen zu erläutern.
Es ist hier nicht der Raum, die Idee jeder Komposition, deren Uraufführungsdatum mit Ausführenden verzeichnet ist, zu beschreiben. Aber es sollen doch die KomponistInnen Erwähnung finden, auch wenn das die Hierarchie zwischen Ausführenden und Urhebern, die Barbara Maurer aufheben wollte, ein wenig wiederherstellt. Der Band enthält, neben den bereits Erwähnten, Kompositionen von Francisco C. Goldschmidt, Benjamin Grau, Vladimir Guicheff Bogacz, Yasutaki Inamori, Sergej Maingardt, Hirofumi Matsuzawa, Eumin Nam, Myunghoon Park, Julian Quintero Silva, Yang Song, Eiko Tsukamoto und Patrick Witte.
Man kann sich der Autorin nur anschließen und viel Freude beim zuweilen abenteuerlichen Entdecken wünschen.
Uwe Gäb