Mas, Fanny

Körperarbeit im Instrumentalunterricht

Staatliche Hochschule für Musik Trossingen: Körperarbeit als Prävention und pädagogisches Werkzeug

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 6/2023 , Online-Beitrag 18

Wie wäre es, wenn InstrumentalpädagogInnen auch das Bewusstsein und die Verantwortung für den eigenen Körper als Hauptinstrument vermitteln würden?

Die Arbeit mit dem Metronom, das Pflegen des Instrumentes sowie das Bezeichnen der Partitur sind Abläufe, die InstrumentalpädagogInnen ihren SchülerInnen lange über viele Jahre mit Geduld und Konsequenz beibringen, bis es für die ProfimusikerInnen oder ambitionierten LaienmusikerInnen ein fester Bestandteil des Musizierens geworden ist. So, wie ein erfahrener Querflötist nicht darüber nachdenkt, ob und wie er seine Querflöte nach dem Spielen putzen soll, wird eine professionelle Geigerin kaum auf die Idee kommen, vor dem Spielen ihr Instrument nicht zu stimmen. Sogar das Einspielen auf dem Instrument oder das Einschwingen der Stimme (Tonleiter, Klangübungen, Vokalisieren usw.) gehört für die meisten MusikerInnen zum Alltag. Was aber wäre, wenn MusikerInnen ab ihrer Kindheit auch die Gewohnheit annehmen würden, sich körperlich vor dem Spielen aufzuwärmen und gezielte Dehnübungen nach dem Spielen zu machen?
Eine Studie von 2005 zeigte, dass 30 Prozent der MusikschülerInnen während und nach dem Spielen an Beschwerden leiden.[1] Diese Schmerzen können verschiedene Ursprünge haben; zu den größten Risikofaktoren zählen (Fehl-)Haltung am Instrument, muskuläre Ermüdung, erhöhte Muskelspannung und schlechte Einteilung von Spielzeiten und Pausen.[2] Optimistisch betrachtet bedeutet dies, dass InstrumentalpädagogInnen einen positiven Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von MusikerInnen haben können, denn Präventionsmaßnahmen können, wenn früh genug angenommen, das Auftreten von Beschwerden verringern.[3] Im Rahmen eines instrumentalpädagogischen Studiums gilt es, solche Einflüsse zu erkennen und entsprechende Lerninhalte anzubieten.
Wer mit Körperarbeit im Instrumentalunterricht arbeitet, wird schnell merken, dass diese nicht nur zum Wohlbefinden der SchülerInnen beiträgt, sondern zugleich als Spiegel der musikbezogenen Arbeit dienen kann. Oft korrelieren individuelle körperliche Merkmale (z. B. Körpertonus) mit musikalischen Merkmalen (z. B. Haltung des Instruments) und lassen sich aufeinander beziehen. So können beispielsweise das Metrumgefühl, die Koordination von instrumentalbedingten Bewegungen, die Ausführung von komplexen Rhythmen sowie besondere Begriffe der Musiktheorie und der Gehörbildung mithilfe der Körperarbeit besser verinnerlicht werden – ganz zu schweigen von Aspekten der Interpretation.
Sowohl die Atem- und Haltungsschulung als auch das Erlernen von neuen Instrumentaltechniken können zunächst mit Wahrnehmungs- und Körperübungen beginnen, was zugleich mit dem natürlichen Drang von Kindern für Bewegung wunderbar zusammenpasst.

Vorlesung: Körperarbeit als pädagogisches Werkzeug: Metrum und Rhythmus

Seit dem Sommersemester 2023 bietet die Hochschule für Musik Trossingen die Vorlesung „Körperarbeit im Instrumentalunterricht“ an. Anhand von Beispielen aus der Praxis (Videos, Bilder) und Erkenntnissen aus der Wissenschaft bekommen die Studierenden Impulse und Kenntnisse, um die Körperarbeit in ihre musizierpädagogische Arbeit kreativ und sinnvoll zu integrieren. Die Planung der Körperarbeit im Verlauf eines Schuljahres, die Besonderheiten der verschiedenen Instrumente sowie unterschiedliche Körperpraxen und Methoden werden thematisiert, sodass Studierende aus allen Studiengängen und Fachbereichen Anregungen für die konkrete Umsetzung im Unterricht erhalten. Mit einem hohen Anteil an Selbstreflexion und Übungen zum Mitmachen trägt diese „dynamische Vorlesung“ dazu bei, dass Körperarbeit in die eigene Unterrichtstätigkeit eingebunden werden kann und somit zum körperlichen und musikalischen Wohlbefinden der MusikschülerInnen beiträgt.

Studierende arbeiten mit der Rondo-Matte von www.musicm.at

Umsetzung beim Hochschulkooperationsprojekt Klassenmusizieren mit dem Akkordeon in einer Grundschule der Region

[1] https://www.nmz.de/artikel/gesund-musizieren-von-anfang-an (Stand: 30.09.2018).
[2] Davies Janet/Mangion, Sandra: “Predictors of pain and other musculoskeletal symptoms among professional instrumental musicians: elucidating specific effects”, in: Medical Problems of Performing Artists, Jg. 17, 2002, Heft 4, S. 155-169.
[3] https://uebenundmusizieren.de/artikel/gesund-von-anfang-an (Stand: 30.05.2019).