Jarrett, Scott / Holly Day
Komponieren für Dummies
Jede Menge tolle Klänge
Die Eigenwerbung auf dem Einband verspricht Großes: „Das Buch hilft Ihnen, Ihre musikalischen Ideen umzusetzen, egal ob Klaviersonate, vielstimmiges Orchesterstück oder mitreißende Filmmusik.“
Wer auch immer mit den „Dummies“ im Titel gemeint sein mag: Das Buch ist eindeutig für einen bestimmten Typ von Song- oder Pop-Komponisten bestimmt, die über Grundlagen der Allgemeinen Musiklehre verfügen und Noten lesen können, aber ihre musikalischen Ideen durch Ausprobieren, Imitieren oder auf andere assoziative Weise gewinnen. Auf recht geschickte Weise werden elementare Techniken der Melodieentwicklung und -rhythmisierung, der Einsatz von Harmonien und Prinzipien einfacher Formgestaltung anschaulich vermittelt, häufig wird an die assoziative Gestaltungskraft des Lesers appelliert.
Dies wäre im Rahmen einer Trial-and-error-Komposition von Popsongs sinnvoll, wenn das Buch nicht auf Schritt und Tritt Höheres versprechen würde, etwa die Transformation einer einfachen melodischen Idee in ein Orchesterstück oder die Komposition einer „mitreißenden“ Filmmusik. Es gibt ein einziges, knapp kommentiertes klassisches Partiturbeispiel und über Techniken der Filmmusik-Instrumentation ist nichts zu lesen.
Eine solche voraussetzungslose Kompositionsanleitung stößt an ihre Grenzen, wenn komplexeres Material verstanden und in sinnvolle Zusammenhänge gebracht werden müsste; so gibt es eine unsystematische Sammlung von Akkorden unter der Rubrik „Akkorde und ihre Stimmungen“ und eine Aufzählung von Standard-Fortschreitungen, jedoch ohne passende Musikbeispiele. Verdeutlichungen von beschriebenen Techniken fehlen. Stattdessen werden komplexere Sachverhalte mit langen Texten und ohne erläuterndes Notenbeispiel dargestellt. Und wie man in den Kapiteln über das Komponieren für das Standard-Orchester und für das Nicht-Standard-Orchester (Band) ohne ein einziges Partiturbeispiel Einblicke in die Instrumentierung gewinnen soll, bleibt ein Geheimnis der AutorInnen.
Viel Raum wird der Arbeit mit Computerprogrammen gegeben: Notendruck, Sequenzersoftware, Arbeit mit Loops werden auf dem aktuellen technischen Stand erläutert und in ihren Vor- und Nachteilen erörtert. Terminologie und Begriffsdefinitionen sind vielfach ungenau, unsystematisch und gelegentlich falsch.
Das letzte Viertel besteht aus Biografien von zehn Komponisten, einer Aufzählung von Zielgruppen, einer recht volkstümlich gehaltenen Kurzbeschreibung von zehn Epochen der Musikgeschichte sowie einer Notendarstellung von sechs Modi von allen Tönen aus.
Fazit: In einigen Bereichen werden nützliche und fantasievolle Hinweise auf das voraussetzungslose Schreiben von Songs und Stimmungsmusik gegeben, aber im Ganzen wird auf dem Einband irreführende Werbung betrieben. Als wirkliche Anleitung zur Komposition sind nur wenige Teile zu gebrauchen.
Christoph Hempel