Müller, Mario
Kontingenttarife und Abomodelle
Ein neues Tarifsystem bei Marios Musikschule in Bonn
Wie in den meisten Musikschulen gab es auch an Marios Musikschule gGmbH bisher Einzel- oder Gruppenunterrichtsverträge mit 36 Unterrichtseinheiten pro Jahr und einer festen Ferienregelung, die an den Schulferien des Landes Nordrhein-Westfalen ausgerichtet war. Nun hat sich die Musikschule für die Einführung eines Kontingenttarifmodells im Einzelunterricht und für das Angebot eines Abomodells im Bereich des Gruppenunterrichts entschieden.
Unterrichtsvereinbarungen in der üblichen Form mit 36 Unterrichtseinheiten pro Jahr und einer festen Ferienregelung führen dazu, dass zwar Unterricht, der seitens der DozentInnen ausfällt, nachgeholt wird, jedoch Einheiten, an denen die SchülerInnen nicht teilnehmen können, in der Regel verfallen. Wir haben uns daher die Frage gestellt, wie man die Unterrichtsverträge besser gestalten und auch Gruppenunterricht wieder attraktiver machen kann.
In diesem Zusammenhang haben wir außerdem darüber nachgedacht, was Musikschule eigentlich für uns bedeutet. Wir kamen zu dem Schluss, dass unsere Musikschule zu einem Begegnungsort für MusikerInnen jeglicher Couleur werden soll. Die Musikschule soll ein Ort für individuellen Unterricht mit Vorbereitung auf einen Beruf, für Einzelunterricht als Hobby, offene Gruppenkurse für die Freizeitgestaltung und ein Übeort für Einzelpersonen, Bands oder Orchester sein. Damit aber nicht genug! Wir haben Marios Musikschule noch durch eine Instrumentenvermietung, einen Verlag und einen Music-Shop ergänzt, sodass MusikerInnen alles unter einem Dach bekommen.
Aus diesen Überlegungen heraus entstand 2019 die Idee, das Tarifmodell der Musikschule komplett neu aufzusetzen. Nach einigen Überlegungen und Diskussionen mit unseren MitarbeiterInnen kristallisierten sich zwei Ideen und Modelle heraus: Zum einen wurden der Einzelunterricht in ein Kontingenttarifmodell und die Gruppen in ein Abomodell umgewandelt. Zum anderen wollten wir die Musikschule zu einem echten Treffpunkt für MusikerInnen ausbauen und überlegten uns einen Abotarif, bei dem man Räume flexibel buchen kann.
Kontingenttarife
Unsere neuen Kontingenttarife übernehmen Teile aus den bisherigen Verträgen unserer Musikschule: Es gibt weiterhin eine garantierte Jahresstundenzahl von 36 Einheiten und eine monatliche Abschlagszahlung der SchülerInnen. Neu ist, dass die SchülerInnen nun selbst entscheiden können, wie sie die Einheiten auf das Jahr verteilen. Damit der Unterricht weiterhin regelmäßig stattfinden kann, haben die SchülerInnen einen „Lieblingstermin“, der reserviert ist. Wer also wie bisher zu einem festen Termin in die Musikschule gehen möchte, kann dies auch weiterhin tun. Um Planungssicherheit für die DozentInnen zu haben, ist der jeweils nächste gebuchte Unterrichtstermin bindend und kann nur bei Krankheit durch ein Attest storniert werden.
Sollte das Kontingent aufgebraucht sein, können SchülerInnen weitere Einheiten zukaufen. Auf diese Weise wird den SchülerInnen die Möglichkeit gegeben, die Musikschule noch öfter zu besuchen. Für die DozentInnen bedeutet dies Mehrstunden auf der Honorar- bzw. Gehaltsabrechnung.
Da wir seit der Einführung keine Schulferien mehr haben, ist das Modell sowohl für DozentInnen als auch für SchülerInnen von Vorteil. Vor allem erwachsene SchülerInnen haben durch diese neue Tarifform mehr Flexibilität. Bei den bisherigen Verträgen war es häufig ein Problem, dass Erwachsene außerhalb der Schulferien in Urlaub gingen und so immer Unterrichtseinheiten ausfielen. Dies ist bei dem neuen Vertragsmodell nicht mehr der Fall, sodass die Musikschule gerade für diesen Kundenkreis deutlich attraktiver wird. Und auch die DozentInnen können ihren Urlaub nun so gestalten, wie es in anderen Branchen üblich ist. Demnach ist es den DozentInnen jetzt also auch möglich, Urlaub außerhalb der Schulferien zu nehmen.
Abotarife
Die neuen Abotarife haben bei uns den Markennamen „FreiRaum“ bekommen. Zum einen weist dieser Name auf einen „freien Raum“ hin und zum anderen ist er ein Synonym für freie Zeit- und Angebotsgestaltung. Die Umsetzung eines Konzepts mit Abotarifen benötigt jedoch einige Veränderungen für den Unterricht und dessen Planung. Hier gibt es zwei Herausforderungen: Erstens müssen die Unterrichtseinheiten in sich abschließen, zweitens entstehen durch das Abomodell meist heterogene Gruppen, für die ein spezielles Unterrichtsprogramm vorhanden sein muss. Außerdem müssen gleiche Kurse, die an verschiedenen Tagen stattfinden, die gleichen Lerninhalte haben, um den möglichen Anschluss zu gewährleisten. Eine gleiche Liederauswahl und gleiche Theoriethemen sind dafür Voraussetzung. Wenn diese Arbeit gemacht ist, kann man Musikunterricht als „Flatrate“ anbieten. So können Kinder und Erwachsene nach Belieben in der jeweiligen Kursstufe den Unterricht besuchen, sodass sie durchaus auch eine Weile aussetzen, einen anderen Kurs besuchen und wieder zum vorherigen Kurs zurückkehren können.
Abgesehen vom Unterricht ist es in Marios Musikschule durch den Abotarif nun möglich, das Üben in die Musikschule zu verlegen. Gerade in der Stadt können viele Menschen zu Hause nicht musizieren, weil die Lautstärke beim Üben zu hoch, man nicht ungestört oder das Instrument für die Wohnung zu groß ist. Daher können bei uns Räume inklusive Instrument zum Musizieren gebucht werden. Dies kann sowohl für Einzel- als auch Bandproben geschehen. Die Musikschule wird so auch zu einem Ort der Begegnung und des gemeinsamen Musizierens.
Jedoch bieten wir über unsere Instrumentenvermietung auch ein Flexi-Abo an. Über dieses Abo können die Instrumente immer passend zum gewählten Kurs mit nach Hause genommen werden. So bleibt die Flexibilität in der Kurswahl erhalten und die Übungsaufgaben sind auch daheim kein Problem. Die SchülerInnen erhalten so die Möglichkeit, sich in der Musikschule und zu Hause an verschiedenen Instrumenten auszuprobieren.
Score & Play
Eine digitale Notenplattform steht bei Marios Musikschule schon länger zur Verfügung. Unter dem Namen „Score & Play“ wurde sie vor etwa fünf Jahren komplett überarbeitet und neu konzipiert. Sie ist unabhängig vom gebuchten Tarif für alle SchülerInnen und DozentInnen der Musikschule als Flatrate-Notenbibliothek online zugänglich.
Die Plattform beinhaltet Notenmaterial und didaktisch aufbereitete (Übungs-)Stücke für alle Fachbereiche und Kurse, sodass flexible Instrumentalschulen („Onlineschulen“) entstehen. Hierfür beschäftigt unsere Musikschule eigens ein Team von AutorInnen, welches Material für die Onlineschulen und das Kursprogramm schreibt. In der Kategorie „Arrangements“ können alle DozentInnen selbstgeschriebenes Material hochladen, welches dann vom gesamten Team und der Schülerschaft für den Unterricht benutzt werden kann.
Zusammen mit den Displays, die in jedem Unterrichtsraum hängen, und den iPads, die jeder Lehrkraft zur Verfügung gestellt werden, entsteht so ein weitgehend papierloses (auf Wunsch werden selbstverständlich weiterhin Noten ausgedruckt), nachhaltiges Unterrichtskonzept, das uns gerade in den Lockdowns hervorragende Dienste geleistet hat.
Fazit nach fast zwei Jahren
Eine Umstellung auf Kontingent- und Abotarife verlangt große Anstrengungen vom gesamten Team. Bevor man diesen Schritt geht, muss genau überlegt werden, ob alle technischen und räumlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Ohne eine Datenbank, die diese Tarife verwaltet, besteht keine Chance auf eine erfolgreiche Umsetzung. Der nächste wichtige Faktor ist die Unterstützung durch alle MitarbeiterInnen: Das gesamte Team muss vom neuen Konzept überzeugt sein und es mittragen.
An Marios Musikschule haben wir die Umstellung in zwei Schritten vollzogen. Schritt eins war die Einführung der Abotarife mit der dazugehörigen Kursstruktur. Diese Tarife kommen bei den SchülerInnen und Eltern sehr gut an. Sie bieten eine große Flexibilität und die SchülerInnen müssen sich nicht direkt für ein Instrument entscheiden. Für uns als Musikschule ist dieses Programm nach langer Zeit wieder ein Gruppenprogramm, das gut funktioniert. Die Schülerzahlen steigen gerade in diesem Bereich sehr stark und die Auslastung der Kurse ist bereits jetzt sehr gut.
Die Einführung des Bereichs mit Kontingenttarifen war der zweite Schritt. Diese Umstellung brachte am Anfang ein paar Probleme mit sich, da die neuen Regeln erst einmal für alle Beteiligten klar werden mussten. Das dauerte ca. drei Monate. Danach traten aber die Vorteile dieses Modells sehr deutlich in den Vordergrund. Die SchülerInnen sind mit der neuen individuellen Terminplanung sehr zufrieden und die DozentInnen genießen die Freiheit, den Stundenplan mehr auf ihre Bedürfnisse abstimmen zu können.
Insgesamt haben wir es nicht bereut, unsere Musikschule auf diesen neuen Weg zu bringen. Wir freuen uns sehr, dass das Konzept eine so gute Resonanz findet, und denken, die Zeichen der Zeit erkannt und Unterrichtsqualität mit größerer Flexibilität in Einklang gebracht zu haben.
Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 1/2022.