Hellberg, Bianca
Koordinationsprozesse beim Musizieren im Instrumentalen Gruppenunterricht
In einer explorativen empirischen Studie beschäftigt sich Bianca Hellberg mit einem besonderen Moment des gemeinsamen Instrumentalspiels, in dem es den Musizierenden im Rahmen interpersonaler Koordinationsprozesse durch Bewegungs- und Klang-angleichung gelingt, zu einem gemeinsamen Klangkörper zu werden. Diesen Aspekt, der für jede Musiziersituation in Gruppen von Bedeutung ist, bezieht Hellberg in ihrer Arbeit auf musikalische Lernsituationen in institutionellen Kontexten und bearbeitet damit ein musikpädagogisches Desiderat. Dabei interessiert sie insbesondere, inwiefern sich Koordination beim gemeinsamen Musizieren innerhalb des Instrumentalen Gruppenunterrichts merkmalsbasiert beschreiben lässt, wie LehrerInnen und SchülerInnen Koordination erleben, herstellen und das Phänomen im Unterricht nutzen, sowie die Frage, inwiefern der situative Kontext des Unterrichts Koordination beim Musizieren beeinflusst. Darüber hinaus ist es ihr Ziel, aus ihren empirischen Beobachtungen didaktische Implikationen für die Gestaltung gemeinsamer Musiziersequenzen im Instrumentalen Gruppenunterricht abzuleiten.
Ausgehend von einer Begriffsschärfung betrachtet Hellberg Koordination im Kontext musikalischen Handelns aus (musik-)soziologischer, (musik-)psychologischer sowie sozialpsychologischer Perspektive. Für eine musikpädagogische Perspektive auf das Phänomen schließt sich daraufhin eine Betrachtung von Koordination im Musizierunterricht an, die in Bezug auf Musiklerntheorien und unter Berücksichtigung von musikdidaktischen und instrumentaldidaktischen Überlegungen erfolgt. Da die der Studie zugrundeliegenden empirischen Daten in Form von videografierten Gruppenunterrichtsstunden sowie qualitativen Interviews mit LehrerInnen und SchülerInnen im Streicherklassenunterricht, Bläserklassenunterricht und im JeKi-Unterricht erhoben wurden, diskutiert Hellberg die Besonderheiten des Forschungsfelds in Bezug auf den Aspekt eines Instrumentalen Gruppenunterrichts im Setting der allgemeinbildenden Schule und beschreibt schließlich ihre Stichprobe sowie ihr methodisches Vorgehen ausführlich und reflektiert.
Nah an den empirischen Daten und dabei methodisch transparent, anschaulich und praxisnah berichtet Hellberg die Ergebnisse ihrer empirischen Untersuchung, indem sie einzelne Beispiele aus dem Material mehrfach anführt und mit einem jeweils unterschiedlichen Fokus diskutiert. Dabei identifiziert sie sowohl Merkmale von Koordination sowie Gelingensbedingungen für Koordinationsprozesse beim Musizieren. Mit der Benennung eines koordinativen Raums arbeitet sie schließlich die zentrale Kategorie ihrer Arbeit heraus, aus der sich ein besonderes Potenzial für die Handlungspraxis der Lehrenden ergibt. Hierbei handelt es sich um ein koordinationsfreundliches Umfeld, das vor dem Musizieren von den Lehrenden zu gestalten ist. Hellberg stellt dabei den Kreis als Idealform des koordinativen Raums heraus und zeigt die unterschiedlichen Nutzungsweisen des koordinativen Raums durch die Lehrenden auf. Darüber hinaus diskutiert sie am Beispiel ihres Materials die Auswirkung der situativen Rahmung eines Unterrichtssettings auf das koordinierte Musizieren.
Durch inhaltliche Zusammenführungen an geeigneten Stellen, einem expliziten Kapitel zum Ertrag der empirischen Studie und abschließenden Diskussionen der Untersuchungsergebnisse aus unterschiedlichen Perspektiven fasst Hellberg die wesentlichen Erkenntnisse der ausführlich dargestellten Ergebnisse regelmäßig für die LeserInnen zusammen. Mit ihren zwölf Stichworten zur Reflexion der Koordinationsprozesse im eigenen Unterricht liefert sie zudem forschungsbasierte Anregungen für die gedankliche und praktische Weiterarbeit im Unterricht.
Sebastian Herbst