Valentin, Antje
Kulturelle Inhalte im Öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Der Kommentar
Am 25. Oktober 2024 haben die MinisterpräsidentInnen der Länder einen „Staatsvertrag zur Reform des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks (Reformstaatsvertrag)“ beschlossen. Voraus ging eine mit zwei Wochen sehr kurz bemessene Frist, in der Stellungnahmen zum Entwurf möglich waren. Auch der Deutsche Musikrat e. V. (DMR) nahm Stellung, aus der auch für musikpädagogische Kontexte bedeutsame Punkte hervorgehen. Uns geht es um ein qualitativ hochwertiges Angebot mit einem klaren Fokus auf Kulturberichterstattung und die Vermittlung kultureller Vielfalt.
Die im Staatsvertrag festgelegte, verpflichtende Zusammenarbeit von ARD, ZDF und Deutschlandradio, das Projekt eines gemeinsamen technischen Plattformsystems und auch das Bestreben, stärker mit NutzerInnen in den Austausch zu gehen, werten wir positiv. Denn wer kennt nicht die leidige Suche nach Sendungen in ungeschickt programmierten, unübersichtlichen Mediatheken? Wenn kulturelle Inhalte aufgrund des Auftrags, den der Öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) hat, besonders gut auffindbar wären, wäre das ein Fortschritt.
Dafür muss diese Auffindbarkeit aber tatsächlich auch gesichert sein. Denn der Kulturauftrag des ÖRR bedeutet auch, dass die Musik in all ihrer Vielfalt hör- und sichtbar werden muss. Eine stärkere Mitwirkung von NutzerInnen darf nicht bedeuten, dass das Programm nur nach Einschaltquote gestaltet wird, der Kulturauftrag ist klar im Blick zu behalten. Das bedeutet, gerade den Inhalten Raum zu geben, die der Markt nicht aus sich selbst heraus erzeugen kann – wie beispielsweise musikpädagogische Themen und Projekte.
Auch die Ensembles des ÖRR gehören zu diesem grundlegenden Kulturauftrag. Ihre Bedeutung wurde im Staatsvertrag leider nicht präzisiert. Ihre – auch vermittlerische – Tätigkeit ist von hoher Bedeutung, beispielsweise bei Aktivitäten wie dem „Ligeti-Experiment“, das anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten 2023 durchgeführt wurde. Wenn das Thema Musikvermittlung seitens der Orchester und Chöre in den Vordergrund gestellt wird, ergeben sich Impulse für die musikalische Bildung an Schulen und Musikschulen.
Bedrohlich wird die Verringerung der Radiowellen und hier insbesondere der Kulturwellen für die Sichtbarkeit regionaler Vielfalt. Das betrifft z. B. auch die Möglichkeit von Landesjugendensembles und vielen weiteren Aktivitäten der Amateurmusik, über ihre Landessender mitgeschnitten und ausgestrahlt zu werden. Insgesamt sollen die Radiowellen von 70 auf 53 Sender verringert werden: Der Weg zu einer immer stärkeren non-linearen, sprich online stattfindenden Ausspielung wurde bereitet. Es ist fest damit zu rechnen, dass die Anzahl linear stattfindender Radioprogramme immer stärker verringert wird. Das Angebot von Inhalten im Netz, die von NutzerInnen aktiv selbst zum Hören ausgewählt werden, bedeutet somit automatisch eine stärkere Bildung von Blasen im Sinne sich selbst verstärkender Echoräume und geringere Chancen, per Zufall auf Neues zu stoßen. Auch aus diesem Grund ist die Forderung des DMR nach hervorgehobener Auffindbarkeit kultureller Inhalte bei digitalen Ausspielwegen so essenziell.
Die Zusammenlegung von ARTE und 3Sat, die ebenfalls beabsichtigt war, konnte noch einmal abgewendet werden, wird aber offenkundig weiterverfolgt. 3Sat als Kultursender für den deutschsprachigen Raum hat eine andere Ausrichtung als ARTE, der zum europäischen Kanal umgebaut werden soll und zahlreiche andere Inhalte aus Wissenschaft, Politik etc. verbreitet. Eine Zusammenlegung würde unserer Einschätzung nach zu Lasten von Kultursendungen gehen und hätte durch das Wegbrechen zahlreicher Aufträge auch existenzielle Auswirkungen auf Kulturschaffende.
Mit Blick auf den Bereich des freien bzw. privatwirtschaftlich getragenen Musikjournalismus sieht der Staatsvertrag auch eine Einschränkung der Online-Portale des ÖRR vor. Sie dürfen „nicht presseähnlich“ sein, Texte müssen primär sendungsbegleitend eingesetzt werden. Das ist aus unserer Sicht nachvollziehbar, soll doch eine unfaire Konkurrenzsituation zwischen ÖRR und dem freien Markt vermieden werden. Wir fordern in begründeten Fällen Ausnahmeregelungen, um beispielsweise die Auffindbarkeit von Texten zur Musikvermittlung auch sendungsunabhängig möglich zu machen – denn hier steht der Bildungsauftrag des ÖRR im Vordergrund.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der ÖRR auch für die musikalische Bildung eine Rolle spielt und somit auch in musikpädagogischen Szenen genutzt und im Zweifelsfalle auch kritisch beobachtet werden sollte.
Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 2/2025.