Kurt Weill Songs
for violin and piano, arranged by Martin Reiter, mit CD
Mit der Frage, ob und wie Jazz stilistisch, spieltechnisch und musikalisch vermittelt werden kann, wird jeder klassisch geprägte Instrumentalpädagoge immer wieder durch interessierte Schüler konfrontiert. Bekannte Interpreten dieses Genres waren oft Autodidakten oder haben ihre Fähigkeiten durch „learning by doing“ erworben. Notation kann ähnlich wie in der Barockmusik nur einen ungefähren Anhaltspunkt liefern, wie ein Stück gespielt werden soll, geschweige denn wie es klingen soll. Der Unterricht an den Hochschulen ist eher am traditionellen Repertoirestudium ausgerichtet. Als logische Folge führt die Ausbildung im Musikschulbereich im Streicherrock und ‑jazz immer noch eher ein Schattendasein. Positive Ausnahmen werden gerne auf Kongressen präsentiert. Hören von Originalbeispielen guter Interpreten und das Mit- oder Nachspielen sind oft der einzige Ausweg für aktive Fans.
Die Musik Kurt Weills bietet eine Fülle von musikalischem Material und beispielhafter Titel, die von bekannten Musikern und Interpreten „unvergesslich“ gemacht wurden, wie der Herausgeber in seinem Vorwort schreibt. Moderne Audiotechnik zum Hören oder Mitspielen gibt jungen MusikerInnen hier die Möglichkeit, Notation, musikalisches Lernen und Kreativität imitatorisch zu verknüpfen. Die Titelauswahl hat dabei durchaus eine motivierende Wirkung: Dreigroschenoper, Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny und Happy End stecken voller Titel, die Welterfolge waren oder sind und in unzähligen beispielhaften Interpretationen zur Verfügung stehen.
Hier setzt die einzige leise Kritik an: Die Orientierung am hervorragend gelungenen künstlerischen Originalbeispiel ist einer zwar virtuosen und stilistisch perfekten, aber doch zuweilen schulmäßigen Beispielgestaltung vorzuziehen. Dies spricht allerdings nicht gegen die technische und klangliche Qualität der CD-Beispiele. Eine Play-along-Version wäre allerdings, insbesondere für SpielerInnen, die zunächst nicht die Möglichkeit haben, in einer einschlägigen Formation mitzuspielen, von Vorteil.
Der verständliche, mit grafischen Ergänzungen zur Ausführung versehene Notentext leitet zum Nachspielen an und an geeigneten Stellen zur Improvisation. Die Ausgabe ersetzt jedoch keinesfalls die technische und musikalische Ausbildung durch einen versierten Fachpädagogen zu den besonderen Spieltechniken des Genres und will keine Jazz-Schule sein. Bei einigen Vorkenntnissen bietet die kleine Sammlung einen reizvollen Fundus, der zum Nachspielen und bei genügender Fertigkeit auch zum Mitspielen animiert. Bei Vorhandensein eines fachlich versierten Pianisten, der auch in in der Lage ist, die Akkordbezeichnungen zu lesen, ist dabei das Live-Zusammenspiel eindeutig vorzuziehen.
Uwe Gäb