Schmelzer, Johann Heinrich

La bella pastora für 2 Violinen & B. c.

Musica Speciosa, hg. von Konrad Ruhland

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall, Magdeburg 2008
erschienen in: üben & musizieren 2/2009 , Seite 60

Die von Konrad Ruhland herausgegebene Notenreihe „Musica Speciosa“ ist eine Fundgrube für Musik des 17. Jahrhunderts. Einer der vielen Komponisten dieser Zeit, die allzu sehr im Schatten der Generation von Bach, Händel und Telemann stehen, ist Johann Heinrich Schmelzer. Er war einer der bedeutendsten Violinvirtuosen des frühen Barock und spielte in der Wiener Hofkapelle, wo er zum Hofkapellmeister emporstieg. Schmelzer komponierte Ballette, Instrumentalmusik, Messen und andere geistliche Werke.
Seine Triosonate La bella pastora ist ein Variationssatz über ein Lied. Die zehn Variationen ziehen alle Register damaliger virtuoser Geigentechnik. Läufe in sich steigernder Geschwindigkeit, Sprünge, aber auch betont lyrische Teile zeigen ein reiches Ausdrucksspektrum. Interessant ist vor allem das Zusammenspiel der beiden Geigen. Der ursprüngliche Charakter der Triosonate wird hier deutlich: Die beiden Geiger treten gegeneinander an, als ob sie fechten würden. Oft innerhalb eines Takts wechselt die virtuose Bewegung von der ersten zur zweiten Violine, die völlig gleichberechtigt sind. So ergibt sich ein spannendes und lebendiges Musizieren, ein virtuoser Wettstreit. In der Variation VII freilich vereinigen sich die beiden Geigen zu einem gemeinsamen Vortrag der Melodie in langen Notenwerten, die Freiraum zur Improvisation lassen.
Konrad Ruhland beschränkt sich erfreulicherweise darauf, das Notenbild des Originals zu übernehmen und die Noten nicht interpretierend zu verändern. Er macht keine Angaben zu Bogenstrichen oder zur Artikulation. Dadurch kann man sich ganz auf Schmelzers Noten konzentrieren und eigene Lösungen der Artikulation und der bogentechnischen Umsetzung finden, vorausgesetzt man hat Kenntnisse in historisch informierter Aufführungspraxis. Auch die Generalbassstimme entspricht dem damaligen Usus: Sie wird vom Herausgeber nicht ausgesetzt. Damit wird deutlich, dass diese Noten Freiräume für eine eigene Aufführungsweise lassen.
Der Musikhistoriker Thrasybulos Georgiades, zu dessen Schülern Konrad Ruhland zählt, verfocht die These, dass das optische Notenbild schon etwas über das Wesen der Musik aussagt und dass dessen Veränderung auch die Art der Aufführung verändert. Dieser Ausgabe gelingt es exemplarisch, durch das grafische Erscheinungsbild den Charakter der Musik zu verdeutlichen. Dadurch ist diese Ausgabe, die gleichermaßen für den Unterricht und für das Konzert geeignet ist, ein hervorragender Ausgangspunkt für eine historisch fundierte und musikalisch lebendige Beschäftigung mit diesem interessanten Werk von Johann Heinrich Schmelzer.
Franzpeter Messmer