Martinu, Bohuslav

Leichte Klavierstücke und Tänze

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Prag 2016
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 54

Die vorliegende Sammlung mit Stücken von Bohuslav Martinu (1890-1959) enthält einige vom Jazz inspirierte Stücke (um 1920), den dreiteiligen Zyklus Weihnachten (1927) und die vier Stücke Viertel und Achtel (1937). Letztere bilden mit ihren zahlreichen Taktwechseln und Synkopen ein interessantes rhythmisches und dabei gleichzeitig auch pianistisch dankbares Material. Teils spielt die linke Hand hier ostinate Begleitfiguren, teils wechseln sich die Hände ab. Im Gegensatz zu den früheren Stücken fehlen große Akkorde. Sowohl diese vier Stücke als auch One step aus der Gruppe der Tänze liegen hier erstmals gedruckt vor.
Mit einem Umfang von meist nur zwei Seiten sind die Stücke alle kurz und von moderater Schwierigkeit. So leicht wie der Titel auf dem Deckblatt vermuten lässt, sind sie aber dann doch nicht. Der Klaviersatz besonders der frühen Stücke enthält sehr viel Akkordisches, also grifftechnische Aufgaben. Man sollte deshalb Akkorde im Oktavraum sicher und einigermaßen mühelos greifen können. Für die vielen Sprünge in der Begleitung der linken Hand ist außerdem eine gute räumliche Orientierung vonnöten.
Vom Charakter her sind Black bottom, die beiden Foxtrotts und One step unterhaltsame Stücke, die offenbar spontan in geselliger Runde entstanden sind (z. B. in der Kneipe „Am Eck“, wie der Titel des einen Foxtrotts bekennt). Aufgrund der unterschiedlichen Entstehungszeiten und Genres lernt man hier verschiedene Facetten der musikalischen Sprache des Komponisten kennen. Anklänge an die Volksmusik finden sich im Weihnachts-Zyklus; auf deutlich dissonantere, sozusagen „modernere“ Klänge trifft man in den späteren rhythmischen Übungsstücken. Insgesamt sind die beiden späteren Gruppen von Stücken kompositorisch gründlicher ausgearbeitet und differenzierter in den artikulatorischen und dynamischen Nuancen.
Der Sammlung geht in drei Sprachen ein informatives Vorwort der Herausgeberin Lucie Hera­sim Berná über die Entstehungsgeschichte voraus. Sie hat auch Fingersätze und Pedalangaben beigesteuert. Die Kompositionen sind nicht chronologisch angeordnet, was aus verlegerischer Sicht einleuchtet. Für grundsätzlich am Schaffen Martinus interessierte SpielerInnen wäre es allerdings übersicht­licher, die Stücke nach der Reihenfolge ihrer Entstehung angeordnet zu haben, repräsentieren sie doch auch verschiedene Lebensabschnitte und -orte des Komponisten: Policka in Böhmen und Paris.
In der Unterrichtspraxis für Klavier sind vor allem die Marionetten von Martinu bekannt. Mit dem vorliegenden Heft kann man sein Bild von diesem Komponisten noch etwas erweitern.
Linde Großmann