Gürtler, Sebastian

Louis’ Musette

frei nach Ludwig van Beet­hovens op. 132 für Streich­quartett, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Walhall, Magdeburg 2020
erschienen in: üben & musizieren 4/2021 , Seite 63

Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 15 op. 132 kennt Sebastian Gürtler von seiner Posi­tion als erster Geiger eines renommierten Streichquartetts sicher ganz genau. Und möglicherweise ist ihm der „Allegro appassionato“ überschriebene Finalsatz bei der ein oder anderen Aufführung als zu brav erschienen. Zumindest aber hat der Viel-Bearbeiter Gürtler, der sich in so manchem Genre der E- und U-Musik und auch dazwischen zuhause fühlt, das Potenzial dieses zurückhaltenden Walzers erkannt.
Bei der Umformung des Beethoven-Allegros blieben die äußeren Dimensionen und die Besetzung gleich, die spieltechnischen Anforderungen allerdings erhöhten sich: In gut sechs Minuten Spieldauer muss das Streichquartett jetzt mit einer wirklich breiten Palette an Spieltechniken und Klangfarben aufwarten, die zwischen Tanzmusik mit französischen Einschlag und weißem Rauschen so ziemlich alles entstehen lassen, was mit vier Bögen auf 16 Saiten ohne allzu große Gewalteinwirkung und im Frequenzbereich des menschlichen Ohres möglich ist.
Dabei beginnt Louis’ Musette ganz brav mit einer Einleitung im gemäßigten Tempo, bevor sich die vier Streicher dann schwungvoll und zunächst noch sehr robust und akkurat harmonisiert im Dreiertakt in die Kurven legen dürfen. Die erste Geige gibt in allen musikalischen Lagen und über die gesamte (Renn-)Strecke den Ton an, während das übrige Trio als Rhythmusgruppe für den stetigen Drive zu sorgen hat. Bald zerfasert dann das musikalische Material und es stellt sich nach gut zwei Dritteln des Weges eine Art auskomponierter Tinnitus ein, den die erste Violine mit Hilfe einiger Flageolett-Götterfunken aber letztlich zum Verschwinden bringen kann.
Noch einmal nimmt Louis’ Musette rasant Fahrt auf, denn als Bühnenpraktiker will Sebastian Gürtler seinem kleinen Zugaben-Glanzstück den verdienten Applaus sicherstellen. Wie bei so vielen musikalischen Kabinettstückchen gilt aber auch hier: Höchstes instrumentales Können, ausreichend Übezeit und eine perfekte Abstimmung bei der Aufführung sind gerade so ausreichend, um dieses kleine Juwel aus dem Beethovenjahr 2020 anständig zum Funkeln zu bringen.
Daniel Knödler