Ludwig

Lehrer, Komponist, Band. Kompositions-Software für Windows

Rubrik: Software
Verlag/Label: Chessbase, Hamburg 2008, www.komponieren.de
erschienen in: üben & musizieren 1/2009 , Seite 59

Beim Schach nehmen es moderne Computerprogramme bereits mit Großmeistern auf; in der Musik widersetzt sich die Komposition – ebenfalls Königsdisziplin bezüglich Kreativität und Beherrschung komplexer Regeln – bisher noch der Automatisierung durch Computerprogramme. Matthias Wüllenweber, Autor professioneller Schachprogramme, hat sich gemeinsam mit einem Kollegen aus der Musikbranche an einen Versuch gewagt und mit Ludwig ein Kompositionsprogramm auf den Markt gebracht, das nach Vorgaben des Benutzers Musikstücke im Stilbereich populärer Musik „komponiert“. Zielgruppe sind musizierende Schüler und Laien, die sich zum Üben ein maßgeschneidertes Playback wünschen, für das sie Stil, Schwierigkeitsgrad und Besetzung vorgeben können.
Anders als Begleitprogramme wie etwa Band in a Box komponiert Ludwig neben der Band-Begleitung auch die (eingängige) Melodie für das Soloinstrument des Benutzers. Auf den Menübefehl „Komponieren“ hin muss man zunächst Groove, Melodiestil, Komplexität der Akkorde und Besetzung festlegen. Nach einigen Sekunden kann bereits mit dem Abspielen begonnen werden. Einzelne Abschnitte sind im Loop abspielbar und können als Improvisationsgrundlage benutzt werden.
Der Name des Programms ist ein wenig irreführend: Ludwig enthält keine Kompositionsalgorithmen für das Erstellen von Stilkopien klassischer Musik. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf der Popularmusik, und zwar für den Anfänger- bis mittleren Laienbereich. Die Kreation von vierstimmigen choralähnlichen Sätzen, im Beiheft als Übung für Chorsänger empfohlen, führt zu satztechnisch eher erheiternden Ergebnissen, und auch der Einsatz klassischer Instrumente und die Qualität der Notation kann strengen Maßstäben nicht standhalten: Bei einem Übungsstück für Cello etwa wurde die Stimme unter das C geführt, und eine Häufung von Hilfslinien ließen die Notenhälse aus dem System herausrücken. Auch bei der erzeugten Musik verraten eine gewisse Starre, andererseits gelegentliche bizarre Fortschreitungen (bei der Grundeinstellung „komplex“) die algorithmische Herkunft der Kompositionen. Unbegrenzt ist die Kreativität von Ludwig nicht: Bei mehrmaligem Kompositionsvorgang mit gleichen Vorgaben kam im Test immer das gleiche Stück heraus.
Den Einschränkungen in der musikalischen Qualität stehen aber überzeugende Stärken gegenüber, vor allem die Flexibilität im instrumentalpädagogischen Bereich: In der Einstellung „Üben“ erfindet Ludwig z. B. nach Vorgaben wie „Anfänger“, „einfach“ oder „mittelschwer“ zu dem komponierten Stück jeweils
eine Instrumentalstimme für den Schüler, bei der dieser im Extremfall (Einstellung „Anfänger“) zu einer Pop-Samba auf der Geige leere Saiten streichen kann. Die Solostimme wird geschickt, wenn auch manchmal harmonisch etwas knirschend in die Akkordprogression eingebaut. Wenn man den Stil nicht festlegt, kommen tatsächlich immer neue Stücke heraus; das Programm sucht dann selbst in seinem Stilrepertoire. Partitur und Solostimme werden abgebildet und sind druckbar, man kann die Solostimme stumm schalten oder in der Lautstärke herunterregeln.
Hat man die durch die Namensgebung provozierten Erwartungen heruntergeschraubt und sich an den Ludwig-Stil gewöhnt, entdeckt man eine Fülle von praktischen, pfiffig programmierten Funktionen, die gleichwohl übersichtlich angeordnet und verständlich benannt sind. Einige Beispiele: Ludwig setzt automatisch Akkorde zu Melodien und verwaltet Liedtext in mehreren Strophen; der Suchalgorithmus kann verfeinert werden; ein kleiner Mixer erlaubt es, jedes Instrument separat in der Lautstärke zu regeln oder auszublenden; Griffbilder für Gitarre oder die Fingerpositionen z. B. auf einer Blockflöte werden bei jedem Ton der Solostimme abgebildet; ein optisches Metronom gibt Taktart und Tempo an. Sogar eine Notenschreibfunktion ist eingebaut: Noten und Harmoniesymbole können mit der Maus eingegeben werden. Zur eigenen Melodie komponiert dann Ludwig das Band-Arrangement.
Die Funktionen sind in Fenstern angeordnet, die sich wie das Hauptfenster mit der Notendarstellung ein- und ausblenden lassen. Die Soundverwaltung basiert auf dem MIDI- bzw. General-MIDI-Standard (GM), der Instrumente nach Familien ordnet. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Tempo ist ohne Veränderung der Tonhöhe frei einstellbar, Instrumentalklänge können ausgetauscht werden, Einspielung über ein externes MIDI-Keyboard sowie der Export von erzeugten Stücken als MIDI-Datei sind möglich. Die mitgelieferte Soundbibliothek (500 MB) ist an den GM-Standard angelehnt; die Instrumentalklänge sind passabel.
Die Aktivierung erfolgt online über einen Freischaltcode. Ohne Freischaltung entfällt lediglich die Speichermöglichkeit; man kann also vor dem Kauf die meisten Funktionen ohne Einschränkung ausprobieren.
Christoph Hempel