Huizing, Jan Marisse
Ludwig van Beethoven: Die Klaviersonaten
Interpretation und Aufführungspraxis
Es sind in erster Linie drei Dinge, die den Leser dieses Buches besonders angenehm berühren: die Vielfalt der Themen, der ausgesprochen musikologische Ansatz des Autors sowie die gediegene Aufmachung.
Huizing, ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Klaviermusik und in Wissenschaft und Praxis gleichermaßen zu Hause, hat ein bemerkenswert tief lotendes Buch über die 32 Klaviersonaten Beethovens geschrieben. Seine Darstellung ist weniger analytisch geprägt – im Gegenteil: die Ausführungen zu „Inhalt und Form“ zu Beginn stellen leider den einzigen echten Schwachpunkt des Bandes dar –, sondern widmet sich vielmehr dem nicht minder wichtigen Drumherum, nämlich der Frage nach Beethovens Pianistik – hier werden vor allem (spiel-)technische Probleme behandelt –, seinen Klavierinstrumenten und ihren Mängeln – „Es ist und bleibt ein ungenügendes Instrument“ (so Beethoven) – sowie (ganz besonders ertragreich!) der Aufführungspraxis. Hier fördert der konsequent quellenorientierte Ansatz des Autors sehr viel Grundlegendes und Wichtiges zutage.
Der interessierte Laie wie auch der ausübende Interpret werden von der Lektüre speziell dieses Kapitels in reichem Maße profitieren. Der Wissenschaftler wiederum freut sich am nachfolgenden Kapitel „Ausgaben“ und weiß die Akribie und Mühe zu würdigen, die speziell in diesen 27 Seiten stecken. Kluge Äußerungen zu den Interpreten und ihren Aufnahmen, ein reicher Anmerkungsapparat (der gelesen und durchgearbeitet werden will) sowie sorgfältige Register beschließen den Band.
Merke: Es müssen nicht immer die großen (und teuren!) Lexika und Handbücher sein, die den Markt seit Jahren förmlich überschwemmen und die sich nicht selten durch Mängel in der Disposition oder schlampige Redaktion auszeichnen. Huizings Buch markiert einen bemerkenswerten Gegenentwurf. Der Preis ist absolut angemessen.
Fazit: In der Reihe „Studienbuch Musik“ ist die vorliegende Schrift hervorragend untergebracht. Huizing hat es bemerkenswert gut verstanden, die Sonaten als Forschungsgegenstand der Wissenschaft darzustellen und gleichzeitig ein gut lesbares Buch zu schreiben – die Übersetzung aus dem Niederländischen liest sich weithin flüssig.
Ein Sonderlob geht ans Verlagslektorat: Die Qualität der Notenbeispiele und Abbildungen ist ausgezeichnet; die gewiss zahlreichen Probleme mit dem Seitenumbruch sind absolut professionell gelöst. Chapeau!
Ulrich Bartels