Joo, Hyung-ki

Lullaby for Leo

for violin and piano

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2014
erschienen in: üben & musizieren 3/2015 , Seite 57

Ein „bezauberndes Schlaflied“, nennt der Verlag dieses Stückchen des 1973 geborenen britisch-koreanischen Komponisten Hyung-ki Joo. Der Komponist selbst unterstreicht im Vorwort seine eigene emotionale Beziehung zu der kleinen Komposition, die er für seinen kleinen Sohn Leo geschrieben hat. So ist schon beim ersten Lesen zu vermuten, dass sie nicht als pädagogisches Stück konzipiert wurde, das kleine GeigerInnen und PianistInnen zu einer ersten Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Musik bringen soll, sondern dass sie tatsächlich ein der Bestimmung des Titels entsprechendes inspiriertes Charakterstückchen ist.
Bringt man die Komposition zum Klingen, erhält man sogleich den Eindruck, dass dies ohne Weiteres gelungen ist: Im Piano beginnen sanfte Bassklänge zur Einstimmung, kontrapunktiert durch ein wiegendes Motiv in der rechten Klavierhand. Die Violine beginnt mit zarten Flageoletten und wie zufällig eingestreuten Pizzicatoklängen. In ruhigem Tempo entfaltet die Violine träumerisch wiegende, sich bis zum Forte steigernde Achtelfiguren über dem ostinatoartig weitergeführten Klaviermotiv. Sphärische Klavierdiskantklänge geben dem Stückchen eine eigene Farbe, bis es im Flageolettpiano „verschwindet“. Nach einer guten Minute sollte Leo eingeschlummert sein. Bezaubernd wirkt das in der Klavierstimme versteckte kleine Brahms-Zitat, welches die Violine aufnimmt und weiter­„träumt“.
Die kleine Komposition eignet sich in Anbetracht der geringen technischen Spielhürden im Klavier ausgezeichnet zu erstem Zusammenspiel, insbesondere für junge PianistInnen. Sie bietet den kleinen GeigerInnen Gelegenheit, technische Fertigkeiten wie künstliche und natürliche Flageoletts, Legatospiel und Legatosaitenwechsel gestaltend an­zuwenden. Die feine Dynamik zwischen Piano und Forte erfordert schon ein wenig Fertigkeit in der Tongestaltung.
Beide SpielerInnen gemeinsam können wunderbar erste Erfahrungen im agogischen Miteinander sammeln. Aber auch fortgeschrittenen SpielerInnen bietet Lullaby for Leo eine reizvolle Gestaltungsaufgabe. Mit geschicktem Lagenspiel eignet es sich gar zur kleinen Salonzugabe. Als gemeinsames Musizierstück für junge MusikerInnen zwischen acht und zehn Jahren – und durchaus darüber hinaus – verdient die kleine „Traumkomposition“ unbedingt eine Empfehlung.
Uwe Gäb