Luther-Lieder

9 Intonationen, Liedsätze und Nachspiele, für Streichquartett gesetzt von Claus-D. Ludwig, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Ponticello Edition, Mainz 2020
erschienen in: üben & musizieren 1/2021 , Seite 63

Als Geiger mag sich der Kirchenmusiker Claus-Dieter Ludwig sicher das eine oder andere Mal gefragt haben, warum im Gottesdienst zur Begleitung der schönen vierstimmigen Choralsätze nicht hin und wieder vier Instrumente verwendet werden anstatt der einen dominanten Orgel. Mit vier gleichartigen, aber eben doch deutlich getrennt voneinander wahrnehmbaren, weil von vier individuellen MusikerInnen gespielten Streichins­t­rumenten ließen sich die Choralstimmen möglicherweise viel plastischer herausarbeiten. Und außerdem könnte man das Streichquartett dann auch noch gleich für ein paar kunstvolle Nachspiele, kleine konzertante Paraphrasen über die jeweilige Choralmelodie, nutzen.
Neun Martin Luther zugeschriebene Lieder beziehungsweise Choräle hat Ludwig für Streichquartett eingerichtet und dabei immer die Aufführung im Gottesdienst und zur Begleitung des Gemeindegesangs im Blick behalten. Alle diese Choräle findet man noch heute im Evangelischen Gesangbuch der Landeskirchen in Deutschland, und die meisten von ihnen werden regelmäßig im Verlauf des Kirchenjahres im Gottesdienst gesungen. Nun komm, der Heiden Heiland, Vom Himmel hoch, da komm ich her oder Ein feste Burg ist unser Gott sind Fixsterne am protestantischen Musik-Himmel und haben so etwas wie Welterbe-Status. Um so unverständlicher ist es da allerdings, dass in der ansonsten blitzsauber aufgemachten Ausgabe der Ponticello Edition die Liedtexte fehlen – was auch unter aufführungspraktischen Gesichtspunkten ein Nachteil ist, soll das Streichquartett doch den Gesang der Gemeinde begleiten.
Die vor dem eigentlichen Liedsatz stehende Intonation ist ebenso schlicht und übersichtlich gehalten wie der vierstimmige Choral selbst, musikalisch-gestalterisch geht es erst in den Nachspielen zur Sache. Da imitieren die vier Streicher dann in lebhaften Figurationen schon einmal die Bewegung „vom Himmel hoch…“, dürfen die beiden Violinen, die Bratsche und das Cello einen kleinen barocken Konzertsatz darbieten oder wird Johann Sebastian Bach mit seinen berühmten Choralbearbeitungen zitiert. All diese Sätze eignen sich daher natürlich auch bestens zur konzertanten Wiedergabe.
Claus-Dieter Ludwig setzt ein agiles, technisch versiertes Streichquartett voraus, das hinhörend begleiten und dann blitzschnell auf „Konzertmodus“ umstellen kann. Auf Basis des hier zusammengestellten Materials lassen sich musikalisch ansprechende Gottesdienste auch an Orten realisieren, die keine Orgel bereithalten. Aber auch ein abwechselndes Musizieren mit Orgel ist denkbar. Fast ein wenig schade ist es, dass Ludwig keine zusätzliche Diskantstimme komponiert hat, wie sie im anglikanischen Gottesdienst gerne zur musikalischen Steigerung in der letzten Gesangsstrophe hinzugefügt wird.
Daniel Knödler