Dungen, Jos van den
Magical Colours
16 wundervolle Stücke für Cello, mit CD
Hier wird nichts dem Zufall überlassen. Gleich dreimal erklingt auf der beiliegenden CD eine leere A-Saite, bevor das erste Stück Overture beginnt – zuerst das Stimmen, dann die Stimmung. Und für die passende Atmosphäre hat sich der Komponist Jos van den Dungen in den Begleitstimmen eine Menge einfallen lassen, damit das instrumentale Karaoke das Cellospiel aufwertet und auch in einer Fußgängerzone Beachtung finden könnte. Just dreaming beginnt mit Harfen-Arpeggi, Yellow light lässt eine E-Gitarre im Hintergrund kreisen. 16 verschiedene Eigenkompositionen enthält die Ausgabe: von Blues bis Balkan, von Klezmer bis Folk. Everybody Loves Mo im Motown-Stil stattet die Cellostimme mit punktgenauen Bläserriffs aus, Ghost in a Bottle klingt ein wenig nach Modern Talking – auch Kaomas Lambada ist in van den Dungens Melodie zu erkennen.
Die Begleit-CD präsentiert die Stücke zunächst mit Solocello, dann bleibt nur die Begleitung übrig und die CelloschülerInnen sind gefragt. Ein Vorspiel von mehreren Takten und eine klare rhythmische Struktur der Begleitstimmen erleichtern das Mitspielen. Der Ragtime Circus mit vertrackten Punktierungen und Lions im swingenden Django-Reinhardt-Stil stellen die vergleichsweise größten rhythmischen Herausforderungen. Wer Popmusik mag und gerne mit Begleitung spielt, statt eines Pianisten aber nur einen CD-Player zur Verfügung hat, wird mit Jos van den Dungens Magical colours viel Freude haben. Hier klingt auch ein noch vorsichtig gestrichenes Cello gleich nach „Deutschland sucht den Superstar“.
Über den musikpädagogischen Wert dieses Vorgehens lässt sich streiten. Ohne den unterlegten Sound zerplatzen nämlich Titel wie der Diskoknaller Blue Electric wie eine Seifenblase. Musikalisch wird in der Cellostimme dafür einfach zu wenig geboten. Selbst Balladen wie Overture haben in der Melodie zu wenig Substanz, um ganz alleine, ohne den Helfer aus der Lautsprecherbox Reiz zu entfalten. Meistens erschließen sich die Stücke erst, wenn man sie einmal auf der CD angehört hat. Das lässt die persönliche Interpretation in den Hintergrund rücken und fördert nicht gerade die eigene Kreativität. Aber die Arbeit mit einer CD kann natürlich auch die Motivation erhöhen, wenn der Schüler oder die Schülerin die Möglichkeit hat, mit einer (fast) richtigen Band zusammenzuspielen.
Technisch wird einiges verlangt. Sechzehntelläufe über die Saiten, Doppelgriffe und schnelle Lagenwechsel erfordern eine gute Kenntnis des Instruments. Vor allem die rechte Hand wird gefordert, wenn der Spieler wie etwa in Klezmer immer zwischen Legato und Staccato wechseln muss und dabei seine Bogenführung schult. Hier finden sich sogar Basstuba und Klarinette auf der Begleit-CD. Das Cello wird zur Fiddel, das Übezimmer zum jüdischen Hochzeitssaal.
Georg Rudiger