Weller, Corinna

Man müsste Klavier ­spielen können…

Anregungen für Lehrkräfte von Melodieinstrumenten zum Erlernen des Klaviers als Begleitinstrument

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 3/2014 , Seite 32

Welche Instrumentallehrerin, welcher Lehrer, der ein Melodieinstru­ment unterrichtet, möchte das nicht können: die eigenen Schülerinnen und Schüler spontan am Klavier begleiten, bei Ton-, Technik- und Intonationsübungen mitspielen, Liedbegleitungen und anderes improvisieren, kurz: das Klavier als selbstverständliches Gebrauchs­instrument im Unterricht nutzen…

Dies alles kann man sich – auch jenseits des neuen Hochschulfachs „Unterrichtspraktisches Klavierspiel“1 – im Selbststudium aneignen und üben, am besten zusammen mit einem Lernpartner auf ähnlichem Spielniveau. Entscheidend ist dabei, das Instrument wirklich als künstlerisches Werkzeug zu betrachten, mit dem man schöne Klänge erzeugen, vielfältige Begleitaufgaben wahrnehmen und so zusammen mit dem Schüler musizieren kann. Die folgenden Ausführungen geben da­zu einige Anregungen am Beispiel von Übungen zu zweit (oder mit mehreren). Sie können alle vierhändig an einem Instrument ausgeführt werden. Die Beispiele richten sich an Lehrkräfte von Melodieinstrumenten mit wenig Klaviererfahrung, die zusammen mit einem Partner die Rolle von Lernenden einnehmen. Doch auch KlavierlehrerInnen können hier Anregungen für ihren Unterricht finden.

Einspielen

Den Ausgangspunkt für einen guten Kontakt zum Klavier bildet ein gutes Körper- und Klangempfinden beim Einspielen, das von An­fang an mit einem elementaren Flow-Gefühl verbunden werden kann.2 Dafür bietet sich folgende Übung an: Die SpielerInnen ­suchen sich je einen Einzelton, der möglichst „bequem“ zum Körper liegt. Auch der Fingersatz wird festgelegt, vielleicht zunächst der „stabile“ dritte Finger. Das rechte Pedal bleibt während der gesamten Übung niedergetreten, um den Klangfluss zu erhalten. Nun folgen mehrere Anschläge, gleichzeitig oder nacheinander, wobei der Fokus auf das Tastgefühl gelegt wird. Nach und nach wird intuitiv ein „satter“, „warmer“ und „weicher“ Kontakt zur Taste erspielt,3 zunehmend begleitet von einem entspannten Körpergefühl und einem mühelosen Bewegungsablauf. Am Ende dieser Ein-Ton-Improvisationsübung wird bewusst der Gehörsinn aktiviert, indem die SpielerInnen so lange sie wollen verschiedene Anschlagsarten ausprobieren und zu verschiedenen Klangerlebnissen gelangen. Im Mittelpunkt steht hier der Genuss beim Spielen und Zuhören. Das sich dabei einstellende Gefühl von Sinnlichkeit und Anstrengungslosigkeit sollte auch alle weiteren Technikübungen leiten.

1 Der Praxis-Beitrag basiert auf meinen Erfahrungen als Dozentin für „Unterrichtspraktisches Klavierspiel“ an der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf (RSH), das im Zuge der Bachelor-Umstellung das alte Nebenfach Klavier, in dem hauptsächlich Pianistik light und kaum berufsbezogene Inhalte vermittelt wurden, ersetzt hat. „Unterrichtspraktisches Klavierspiel“ zielt auf einen praxisbezogenen Umgang mit dem Klavier und findet an der RSH im Partnerunterricht statt, was u. a. den Vorteil hat, dass die Studierenden miteinander das Klavier erkunden, sich wechselseitig vorspielen und begleiten, miteinander improvisieren und Kammermusik direkt ­gemeinsam spielen können (vierhändig am Klavier oder zusammen mit dem jeweiligen Hauptfachinstrument des Spielpartners). Dabei können sie gegenseitig ihr Spiel beobachten, analysieren und voneinander lernen, was bei unterschiedlichen Leistungsständen und Lerntempi freilich ein hohes Maß an Differenzierung bis hin zur Aufteilung der Stunde erfordert. Die Unterrichtsinhalte sind Liedbegleitung, Improvisation, Begleiten von Ton- und Technikübungen, Vom-Blatt-Spiel, Kammermusik und Erarbeitung von Sololiteratur unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades (hier treten in der Regel die größten Leistungsunterschiede auf).
2 vgl. Andreas Burzik: „Üben im Flow. Eine ganzheitliche, körperorientierte Übemethode“, in: Ulrich Mahlert (Hg.): Handbuch Üben. Grundlagen – Konzepte – Methoden, Wiesbaden 2006, S. 265 ff.
3 vgl. ebd., S. 273.

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