Wolfgang Heinemann und Dirk Grün

Rüdiger, Wolfgang

Mehr Freiräume fürs Studium!

Ein einzigartiges Stipendium für Instrumentalpädagogen an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf

Rubrik: Gespräch
erschienen in: üben & musizieren 2/2019 , Seite 42

Es kommt nicht alle Tage vor, dass ein privater Sponsor ein Stipendium für Studierende der Instrumentalpädagogik auslobt. Doch an der Robert Schumann Hochschule ist dies seit ­mehreren Jahren der Fall. Wolfgang Rüdiger sprach mit dem Stifter Wolfgang Heinemann und dem Ideengeber Dirk Grün über die Beweggründe und Zielrichtungen.

Lieber Herr Heinemann, Sie sind leidenschaftlicher Hobbyklarinettist und vielfältig engagiert in kultu­rellen und sozialen Einrichtungen. Wie kam es zu der Idee, ein Stipendium für Instrumentalpädagogik-Studierende einzurichten?
Wolfgang Heinemann: Der Ausgangspunkt für dieses Stipendium war, dass ich viele Jahre Klarinettenunterricht bei Dirk Grün hatte. Als wir uns näher kennen­lernten, habe ich gemerkt, welch ein Spagat es für angehende Musikpädagogen bedeutet, einerseits ihr Studium zu finanzieren und andererseits Freiräume
zu haben, um den künstlerischen Neigungen nach­zugehen und die Liebe zur Musikpädagogik voll ent­falten zu können.

Lieber Dirk, du bist Absolvent der Robert Schumann Hochschule, hast im künstlerischen Studiengang Klarinette studiert und danach ein Diplom in Instrumentalpädagogik draufgesattelt. Bereits während des Studiums hast du begonnen, als Instrumentaldozent an der Clara-Schumann-Musikschule in Düsseldorf zu unterrichten. Wie kam der Kontakt mit Wolfgang Heinemann zustande und wie entstand die Idee einer Förderung für junge Nachwuchspädagogen?
Dirk Grün: Schon vor meinem Studium habe ich als Musikpädagoge gearbeitet und sehr früh die Chance bekommen, an einer Musikschule in der Eifel, wo ich herkomme, erste Erfahrungen als Klarinettendozent zu sammeln. Schon damals wurde mir klar, wie viel Freude mir das Unterrichten bereitet. Zugleich war es eine gute Möglichkeit, mein Studium zu finanzieren. Gleich zu Beginn des Studiums wurde dann Wolfgang Heinemann mein Instrumentalschüler. Dabei haben wir nicht nur künstlerisch, sondern auch menschlich einen guten gemeinsamen Weg beschritten. Für mich als Lehrer ist es wichtig, auch den Schüler als Menschen kennenzulernen und ihn durch diese Erfahrungen am Instrument weiterbringen zu können.

Wolfgang Heinemann: Während der Zeit meines Kla­rinettenunterrichts bei Dirk Grün habe ich eine Weiter­bildung zum Rhythmikpädagogen begonnen. Die mu­sikalischen Aufgaben, die wir in unseren Praxisphasen machen mussten, habe ich mit ihm erarbeitet: zum Beispiel Improvisationen zu Bildern zu gestalten oder Rhythmen in Körperbewegungen umzusetzen. Durch seine Art des Unterrichtens habe ich „leibhaftig“ erfahren, welche Bedeutung Musik für mich hat, wie mein Körper und meine Seele sich entfalten können.

Dirk Grün: Nach einigen Jahren des Unterrichts trat Herr Heinemann mit dem Angebot an mich heran, dass er gerne meine Arbeit, zu der unter anderem auch die Band No. 1 der Clara-Schumann-Musikschule – ein Blas­orchester für Kinder zwischen acht und zwölf Jahren – gehört, finanziell und ideell unterstützen möchte, so­dass diese viele Menschen erreicht. Da ich mich als Netzwerker verstehe, reifte in mir schnell die Idee, dass es am Besten wäre, an meiner ehemaligen Musikhochschule ein Stipendium ins Leben zu rufen. Die Idee war, Herrn Heinemann als Privatmann mit den Institutionen Hochschule, Musikschule und allgemeinbildende Schule in Kontakt zu bringen. Dadurch sollte die Musikpädagogik als Disziplin an der Hochschule und die künstlerisch-pädagogische Arbeit an der Musikschule und der allgemeinbildenden Schule gestärkt werden. Das Stipendium als „Produkt“ dieser Idee sollte den Stipendiaten als angehenden Musikpädagogen ermöglichen, freier und finanziell unabhängiger ihr Studium bestreiten zu können. Auch sollte es ihnen durch die wöchentliche Hospitation in einem meiner Orchester inhaltlich einen Einblick in ihr zukünftiges Berufsfeld geben.

Und dann wurde auf Dirk Grüns Vorschläge hin das Stipendium an der Robert Schumann Hochschule eingerichtet. Wie ist das Stipendium konzipiert, wer kann sich dafür bewerben, wie erlangt man die Förderung?
Dirk Grün: Nach unseren Vorüberlegungen haben wir im Sommersemester 2013 eine Testphase begonnen und ein erstes Wolfgang-Heinemann-Stipendium für das Wintersemester 2013/14 ausgelobt. Studierende eines Holz- oder Blechblasinstruments in der Studienrichtung Musikpädagogik konnten sich ab dem zweiten Semester bewerben. Nach Eingang der Bewerbungen der Studierenden haben wir in einer Kommission per­sönliche Auswahlgespräche geführt und die Stipendiaten ausgesucht.

Wolfgang Heinemann: Dabei war Dirk Grün im Besonderen wichtig zu erfahren: Mit welcher Leidenschaft für die Musikpädagogik stellen die Studierenden sich vor, besitzen sie eine Vorstellung von einem eigenen Unter­richt und wie stellen sie sich ihr Arbeitsleben als Musik­pädagogen vor? Das erste Stipendium in Höhe von monatlich 300 Euro haben wir zunächst für ein halbes Jahr an eine Instrumentalpädagogik-Studentin mit Hauptfach Trompete vergeben. Nach dem ersten erfolg­reichen Testlauf habe ich die Förderung im Sommer­semester 2014 dann auf zwölf Monate ausgeweitet, die Ausschreibung mit den Kollegen neu formuliert und das Ganze fest an der Robert Schumann Hochschule verankert.

Wie waren die Erfahrungen mit dem Stipendium in dieser Anfangsphase, was gehörte und gehört alles dazu?
Dirk Grün: Zum Stipendium gehört einerseits die monatliche finanzielle Unterstützung, auf der anderen Seite die musikalisch-pädagogische Erfahrung durch die Hospitation über ein Jahr in einem meiner Orchester an der Clara-Schumann-Musikschule und dem Annette von Droste Hülshoff Gymnasium in Düsseldorf. Beim ersten Stipendium hat sich schnell gezeigt, dass die Stipendiatin sehr begeistert war, die Arbeit in einer Musikschule so detailliert von innen kennenzulernen – mit der Hauptfrage: Wie funktioniert kontinuierliche Orchesterarbeit mit Kindern? Die Mitarbeit der ersten Stipendiatin hat uns alle im Team bestärkt, das Stipendienkonzept weiterzuführen und auszubauen, weil eine solche Vernetzung von Hochschule und Musikschule ein praxisnahes Studium ermöglicht und die Stellung der Musikpädagogik stärkt. Weiterhin wurde das zunächst private Wolfgang-Heinemann-Stipendium in das Programm der Deutschlandstipendien an der Robert Schumann Hochschule eingebunden. So konnte die von Herrn Heinemann gestiftete Fördersumme verdoppelt werden, sodass wir bereits im Wintersemes­ter 2014/15 zwei Stipendien ausschreiben konnten.

Zwei Jahre später wurde die Ausschreibung auf weitere Instrumentengruppen ausgeweitet…
Wolfgang Heinemann: Wir haben das Stipendium auf Studierende der Streich- und Schlaginstrumente ausgeweitet. Ich denke an eine Bratschistin, die dort hospitierte. Sie hat in dieser Zeit einen Dirigentenkoffer entworfen, der Hauptbestandteil ihrer Bachelorarbeit wurde. An diesem Beispiel zeigt sich die Wirksamkeit des Stipendiums und welche schöpferische Inspiration die praxisnahen Erfahrungen bei den Studierenden auslösen können.

Von solch beglückenden Erlebnissen gab es in den letzten fünf Jahren mehrere. Im Oktober und November haben wir immer, nach Bewerbung mit Lebenslauf und Motivationsschreiben, die Vorstellungsgespräche terminiert, danach laufen die Stipendien ein Jahr. Wie viele Stipendiaten hatten wir bislang insgesamt, und welche besonderen Erfahrungen gab es?
Dirk Grün: Mit den aktuellen Stipendiaten, die im Jahr 2018 ausgesucht wurden, haben bisher elf Studierende ein Jahresstipendium erhalten. Da ich jede Woche mit den Stipendiaten durch die Orchesterarbeit im Kontakt bin, habe ich mit jedem eigene, teils sehr unterschied­liche Erfahrungen gemacht. Ein jeder von ihnen besitzt eine eigene Art, über Musik zu sprechen und auf Jugendliche und Kinder zuzugehen. Da gab es immer wieder besondere Momente und Impulse, zum Beispiel dass Studierende ein Stück für das Orchester komponiert oder arrangiert, dann einstudiert und aufgeführt haben. Auch hat nicht zuletzt das Stipendium dazu beigetragen, dass drei ehemalige Stipendiatinnen nun meine Kolleginnen an der Clara-Schumann-Musikschule sind.

Wolfgang Heinemann: Die Begegnung mit Studierenden aus verschiedenen Ländern hat meinen musika­lischen Horizont sehr erweitert. Wir haben unter anderem Stipendien an einen Studenten aus Rumänien und eine Studentin aus der Mongolei vergeben. Die derzei­tigen Stipendiaten kommen aus dem Iran. Ich finde diesen interkulturellen Gesichtspunkt interessant und wichtig. So fördert dieses Stipendium die Begegnung der Orchesterschüler mit Menschen aus anderen Kulturen und deren Musik.

Die Stipendiatin aus der Mongolei hat dadurch einen besonderen interkulturellen Ansatz in die Arbeit mit dem Juniorblasorchester hineingetragen.
Wolfgang Heinemann: Ja, es ist sicherlich nicht alltäglich, dass Musik aus der Mongolei im Saal der Clara-Schumann-Musikschule erklingt.

Dirk Grün: Wir haben während der Proben auch über die Musik ihrer Heimat gesprochen. Das Interesse der Schüler daran war groß. Dies motivierte die Studentin, eine Volksweise aus der Mongolei auszusuchen und mit meiner Unterstützung für das Blasorchester zu arrangieren. So hat sie gelernt, wie ein Stück, das erst ein Volkslied ist und vielleicht nur gesungen oder mit Instrumenten wie der Pferdekopfgeige begleitet wird, für ein Blasorchester umgesetzt werden kann. Alle sind beim Abschlusskonzert mit der Aufführung und dem Applaus belohnt worden.

Besonders bewegend ist dabei das wechselseitige Aufeinander-Hören, Einander-Antworten und Vonei­nander-Lernen. Eine iranische Stipendiaten hat zum Beispiel zusammen mit einer jungen Komponistin aus dem Iran ein Referat über die Musik ihres Heimatlandes gehalten, bei dem Sie dabei waren, Herr Heinemann, ein sehr schöner Austausch zwischen den Stipendiaten und dem Stifter, eine neue Form von Gemeinsamkeit.
Wolfgang Heinemann: Die Musikhochschule ist auch für mich durch die Begegnung mit den Stipendiaten zur musikalischen Heimat geworden. Ich habe viele Anregungen bekommen und manche Kontakte haben sich auch über das Stipendium hinaus weiterentwickelt. Ein ehemaliger Stipendiat ist mein jetziger Klarinettenlehrer. Wir beide haben ein Programm mit Geschichten von Rafik Schamir und dazu passender Musik konzipiert und aufgeführt. Die beiden iranischen Stipendiaten haben als Gäste in einem Begegnungscafé für Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern musiziert und Kontakte geknüpft.

Unser Anliegen war es ja auch von Anfang an, den Pädagogik-Studierenden zu zeigen, wie wichtig ihre Rolle als Künstlerpädagogen in der Gesellschaft ist: dass Musik ein wichtiges Mittel zur Persönlichkeitsbildung und zur Achtsamkeit im Umgang mit­ei­nander ist, ja, zum sozialen Zusammenhalt in unserer vielstimmigen, kulturell heterogenen Gesellschaft beitragen kann.
Dirk Grün: Ich möchte ergänzen, dass durch dieses Stipendium der Kontakt der beteiligten Institutionen untereinander gefördert und ausgebaut wurde. Indem Wolfgang Heinemann und ich alle Verantwortlichen dieser Institute miteinander in Kontakt gebracht, stets informiert und mit auf den Weg genommen haben, war es möglich, dieses Stipendium an drei Institutionen zu verankern. So konnten wir dazu beitragen, institutionelle Synergien herzustellen. Auch haben wir es ge­schafft, ein anfänglich rein privates Stipendium zu institutionalisieren.

Die Lehrkräfte der Robert Schumann Hochschule, vor allem aber die Studierenden und Absolventen sind Ihnen, Herr Heinemann, dankbar, dass wir dieses Stipendium haben. Nach fünf Jahren stellt sich die Frage: Wie geht es weiter? Wie sieht die Zukunft des Stipendiums aus?
Wolfgang Heinemann: Es ist gut, dass nun eines der Stipendien vom Freundeskreis der Robert Schumann Hochschule finanziert wird. Im Rah­men meiner Möglichkeiten werde ich auch in Zukunft ein Stipendium zur Verfügung stellen. Es ist mir in den letzten Jahren ein Herzensanliegen geworden. Auch möchte ich die erfolgreiche Arbeit von Dirk Grün mit den Studierenden in den Orchestern weiter unterstützen. So möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, dass die Musikpädagogen von morgen durch die Stipendien einen größeren Freiraum erhalten, um ihren Ideen und Fragen an die Musik im Studium mit ausreichender Zeit nachgehen zu können.

Es wäre schön, wenn Ihr Beispiel Nachahmer fände: um der Förderung der Musik und Musikpädagogik willen, die heute eine umso wichtigere Rolle in einer auseinanderdriftenden Gesellschaft spielt. Wie könn­te das Beispiel die Runde machen und sich auswirken?
Dirk Grün: Wir haben hier in Düsseldorf mit dieser Art der Stipendien etwas bislang Einzigartiges in der Musikhochschullandschaft erschaffen. Ich wünsche mir, dass es nicht einzigartig bleibt, sondern die Entscheidungsträger in den Hochschulen motiviert, in diese Richtung zu denken und zu wirken. In meinen Augen ist es unbedingt notwendig, die Bedeutung der Musikpädagogik, auch durch diese Stipendien, an den Hochschulen institutionell weiter zu stärken, um die Musikpädagogen der Zukunft sehr gut auf das vielseitige Berufsleben vorzubereiten. Und da hinter jedem gut ausgebildeten Musiker auch ein guter Musikpäda­goge steht, tragen die Lehrenden in den Hochschulen, Musikschulen und allgemeinbildenden Schulen eine große Verantwortung für die musikalische Bildung und damit den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

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