Kotzian, Rainer

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„Orphion“ – digitales Musikinstrument mit einzigartigem Klang

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , musikschule )) DIREKT, Seite 12

App-Instrumente, die konventionelle Instrumente nachahmen, gibt es in schier unüberschaubarer Menge. Doch so einfach man meistens damit umgehen kann, so schnell ist dann in der Regel auch die Spiellust wieder verflogen, da die Möglichkeiten und vor allem die Klangergebnisse im Vergleich zum „echten“ Instrument eben doch immer nur eine Kompromisslösung darstellen.
Das Orphion für das iPad und der kleine Bruder Orphinio für das iPhone hingegen sind Musikinstrumente mit einem neu- und einzigartigen Klang zwischen Saiteninstrument und Percussion. Vergleichbar sind die Apps mit dem in der Schweiz erfundenen „Hang“, einer nach außen gestülpten, mit Händen gespielten Steel Drum. Die große Anziehungskraft, die diese beiden Apps haben, liegen in der Einzigartigkeit von Spielweise und Klangspektrum: Das Interface wurde speziell für Touchscreens entwickelt und ermöglicht sehr ausdrucksstarkes, aber auch virtuoses Spielen. Man kann verschiedene Anordnungen von tonal gestimmten kreisrunden Flächen, sogenannte Pads (Pad-Layouts) auswählen, die je nach Fingerposition beim Anspielen unterschiedlich klingen und durch weitere Bewegung moduliert werden können.
Hier zeigt sich auch das Alleinstellungsmerkmal dieser App: Je nachdem, wie man drückt, wischt oder klopft entsteht ein anderer Klang – und zwar sowohl ein- als auch mehrstimmig. Eine schnelle, federnde Berührung löst einen eher perkussiven Klang aus, Wischbewegungen erzeugen hingegen Klänge, die an den weichen flötenhaften Klang eines Theremins erinnern. Durch kreisende Bewegungen auf den einzelnen Flächen entsteht ein Vibrato, eine Bewegung von der Kreismitte nach außen sorgt für eine leichte Verstimmung, die mit dem Ziehen einer Gitarrensaite verglichen werden kann.
Je nach Pad-Layout stehen entweder nur wenige Töne (z. B. Pentatonik) zur Verfügung oder aber auch ganz komplexe Intervallmuster, die zum Entdecken neuer musikalische Strukturen einladen. Durch ein kostenpflichtiges Upgrade (0,99 Euro) auf den Orphion Editor kann man zusätzlich zu den umfangreichen Presets auch selbst Pad-Layouts bearbeiten oder neu erstellen, was besonders für den Unterricht hilfreich ist. So können passgenau für einzelne Songs oder Arrangements, bei denen das Orphion als Begleit- oder Soloinstrument eingesetzt werden soll, Layouts erstellt werden, die entweder intuitiv zum Improvisieren einladen oder aber auch klar und übersichtlich geordnete Begleitakkorde bzw. harmonische Strukturen einfach spielbar darstellen.
Bedienung und Menüführung sind minimalistisch und einfach gehalten. Man kann sofort intuitiv loslegen, um erste Klangkreationen entstehen zu lassen. Kein störendes Menü oder Knöpfe lenken vom Musizieren ab. Ein kleiner, dezenter Button im unteren Teil des Bildschirms blendet eine Leiste ein, in der man Audioparameter, Effekte und MIDI-Optionen einstellen kann. Im Menü wird auch der Unterschied zwischen den beiden Apps deutlich: während Orphion das Editieren von Pad-Layouts erlaubt, besitzt Orphinio eine „Shaker“-Funktion, bei der selbst ausgewählte Töne den Hin- und Her-Bewegungen des Smartphones zugeordnet werden können.
Orphion und Orphinio sind schlicht, ohne aufwändiges und ablenkendes Design, stecken aber voller Musik. Beide sind hervorragend geeignet für den Live-Einsatz als elektronisches, aber dennoch körpernahes und intuitiv handhabbares Solo- oder Begleitinstrument, bergen aber auch großes Potenzial für den kreativen Einsatz im Studio- und Recording-Bereich, da durch die MIDI-Anbindung einerseits und eine Aufnahmefunktion andererseits alle Möglichkeiten der Integration in diverse Softwareumgebungen offen stehen.
Orphion (für iPad) ist in der Grundausstattung für 5,49 Euro im App Store erhältlich, der kleine Bruder Orphinio (für iPhone) ist schon für 1,99 Euro zu haben.