Leenders, Alois

Missa Vivaldi

Missa brevis zu „Die vier Jahreszeiten“ für SATB und Klavier, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Fidula, Emmelshausen 2023
erschienen in: üben & musizieren 6/2024 , Seite 63

Wie der Titel bereits andeutet, geht es bei dieser Veröffentlichung um eine Art Parodieverfahren zum Generieren einer liturgisch oder konzertant einzusetzenden Messe-Komposition. Instrumentalstücke mit Texten zu unterlegen oder geistliche in weltliche Textierungen umzugestalten, ist auch historisch gesehen („Kontrafaktur“) eine häufige Praxis. Insofern ist es sicherlich legitim, ein so bekanntes Werk wie die Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi einem derartigen Prozess zu unterziehen.
So ist eine Missa brevis entstanden, die sich aus unterschiedlichen Sätzen der vier Konzerte ihre musikalische Inspiration holt. Aus der praktischen Arbeit und der daraus geschöpften Erfahrung mit einer „Benedictus“-Unterlegung des langsamen Satzes des Winterkonzerts hat Alois Leenders nach eigener Aussage die Motivation bezogen, weiter in diese Richtung zu gehen und eine zyklische Komposition in Angriff zu nehmen. Spekulativ erwähnt der Autor im Vorwort auch die nicht unwahrscheinliche Möglichkeit, dass Vivaldi selbst eine derartige Idee hätte verfolgen können, da dies gängige Praxis in der Renaissance- und Barockmusik war.
Natürlich kann sich eine solche Komposition – vielleicht ist der Begriff Arrangement hier eher am Platze – nur dem melodischen und thematischen Kern des Originals zuwenden und muss den Part der Solovioline außer Acht lassen. Die Faktur des vierstimmigen Chorsatzes arbeitet daher auch an zahlreichen Stellen mit der Möglichkeit des Stimmtauschs, um so den „cantus firmus“ sinnvoll wandern zu lassen, was den Chorsatz auflockert und für die einzelnen Stimmen interessanter macht.
Bei einer Musik, die ja wesentlich noch der barocken Affektenlehre unterliegt, ist es sicherlich subjektiv, welcher Affekt des Originals der jeweils geistlichen Aussage des traditionellen Messetextes am ehesten entsprechen könnte. Da mag man gelegentlich anderer Auffassung als der Komponist sein und vielleicht auch die Textkürzungen, die aufgrund des Arrangements verständlich sind, nicht unbedingt teilen. Durch die zum Teil unterschiedliche Textunterlegung in den einzelnen Stimmen wurde allerdings ein akzeptabler Kompromiss gefunden. So singen etwa im Gloria-Satz die Männerstimmen den Text „Gloria in excelsis Deo“, die Frauenstimmen bereits den liturgisch erst später folgenden Text „tu solus Dominus“. Auch dies eine vielfach anzutreffende Praxis bereits in der Musik des späten Mittelalters.
Der Klaviersatz ist sicherlich obligat, um die „Generalbassfunktion“ zu übernehmen, aber so einfach gehalten, dass er auch für weniger Geübte gut realisierbar ist. Mit dem Schwung und der Energie der Vivaldi’schen Komposition im Hintergrund wird das Stück seine Wirkung nicht verfehlen und dem Chor schon bei der Einstudierung viel Freude machen.
Thomas Holland-Moritz