Schwippert, Knut / Andreas Lehmann-Wermser / Veronika Busch (Hg.)
Mit Musik durch die Schulzeit?
Chancen des Schulprogramms JeKi – Jedem Kind ein Instrument
Mit diesem Band legen die HerausgeberInnen Forschungsergebnisse aus einer siebenjährigen durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Begleitforschung von JeKi vor, die sie mit ihren Forschungsgruppen innerhalb der Projekte SIGrun (Studien zum Instrumentalunterricht an Grundschulen) und WilmA (Wirkung langfristiger musikalischer Angebote) von 2008 bis 2015 durchführten. Anknüpfend an die 2014 in einem ersten Band vorgelegten Ergebnisse aus dem Projekt SIGrun, werden hier vor allem die Befunde aus dem Projekt WilmA sowie Befunde aus der Zusammenführung der Datensätze beider Projekte wiedergegeben. Dabei werden insbesondere Fragen zur kulturellen Bildung in der Statuspassage des Übergangs von der Grundschule in die Sekundarstufe I in den Mittelpunkt gerückt.
In den ersten zwei Kapiteln erhalten die LeserInnen Informationen zur theoretischen Rahmung sowie zur Anlage und Durchführung der Studien SIGrun und WilmA. Darauf folgen in sich abgeschlossene Ergebnisberichte aus den einzelnen Teilbereichen der Projekte, die je nach eigenem Interesse voneinander getrennt oder in einer anderen Reihenfolge gelesen werden können. Sonja Nonte und Michael Schurig untersuchen, welche Merkmale im Kindesalter Einfluss nehmen auf die Teilnahme am Instrumentalunterricht im Übergang zum Jugendalter sowie auf den langjährigen Verbleib im Instrumentalunterricht und diskutieren dabei Prädiktoren der Teilnahme am Instrumentalunterricht in der Sekundarstufe I. Nele Groß und Knut Schwippert untersuchen hingegen, ob sich bei musizierenden SchülerInnen aufgrund einer angenommenen besseren Alltagsbewältigung positivere gesundheitliche Merkmale in Bezug auf die physische und vegetative Gesundheit zeigen und inwiefern das Musizieren einen Beitrag zur sozialen Integration leisten kann.
Daraufhin beschäftigt sich Valerie Krupp-Schleußner mit der Frage, inwiefern Programme wie JeKi einen Beitrag zu mehr Teilhabegerechtigkeit leisten können, und diskutiert im theoretischen Rahmen des Befähigungsansatzes (capability approach) Zusammenhänge von Teilhabepotenzial an Musikkultur und subjektivem well-being im Sinne einer individuellen allgemeinen sowie domänenspezifischen Lebenszufriedenheit. Daran anschließend nimmt sie zusammen mit Andreas Lehmann-Wermser ebenfalls Fragen der Teilhabe in den Blick. Sie beschäftigen sich mit den musikalischen Aktivitäten der SchülerInnen an der Schwelle zur Adoleszenz und untersuchen, welche Faktoren Einfluss darauf haben, ob SchülerInnen in der 6. und 7. Klasse ein Instrument erlernen.
Nicola Bunte, Veronika Busch und Anne-Katrin Jordan gehen im siebten Kapitel der Frage nach, inwiefern sich die Zustimmung bzw. Ablehnung von geschlechtsstereotypen Musikkonzepten bei Viert- und Sechstklässlern verändert und durch Faktoren musikalischer Sozialisation beeinflusst wird. Schließlich beschreiben Sabrina Kulin und Knut Schwippert im achten Kapitel anhand von Daten aus der SIGrun-Studie, wie sich in der Wahrnehmung von LehrerInnen, SchulleiterInnen und Eltern Schulentwicklungsprozesse an der eigenen Schule durch JeKi verändert haben.
Dem Ziel, neben einem Beitrag zur Grundlagenforschung ebenfalls Anregungen für die Praxis zu generieren, kommen die HerausgeberInnen vor allem im letzten Kapitel näher, in dem sie die Befunde noch einmal zusammenführen und daraus Empfehlungen für Forschung, Praxis und Politik ableiten. Daher sei dieses Buch zugleich WissenschaftlerInnen sowie Akteurinnen und Akteuren aus Schule, Musikschule und Bildungspolitik zu empfehlen. Aufgrund der transparenten Darstellung der methodischen Arbeit sind nicht alle Beiträge gleichermaßen einfach zu lesen, sodass Vorkenntnisse auf dem Gebiet der Statistik in jedem Fall nützlich für die Lektüre sind. Wer sich jedoch ausführlich mit den gründlich erarbeiteten Forschungsberichten beschäftigt, wird mit interessanten Ergebnisberichten belohnt und angeregt zu weiterem wissenschaftlichem, musikpädagogischem und bildungspolitischem Nachdenken.
Sebastian Herbst