Kolbe, Corina

Mobile Music in the Making

Eine Tagung an der UdK Berlin untersuchte Entwicklungen im Bereich Appmusik

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 3/2017 , Seite 38

Smartphones, Tablet-Computer und Notebooks machen Musik ständig und überall verfügbar. Vor allem in der Popszene nutzen viele Künstler inzwischen spezielle Apps auf mobilen Endgeräten, um ihre Stücke zu komponieren und zu bearbeiten. Welche Möglichkeiten bieten diese digitalen Technologien und wie werden sie im Bereich der musikalischen Bildung genutzt? Mit diesen Fragen befasste sich im März die erste Ausgabe der internationalen Fachtagung „Mobile Music in the Making“. Auf Einladung der Forschungsstelle Appmusik am Berlin Career College der Universität der Künste (UdK) berichteten mehr als 40 ReferentInnen aus aller Welt über ihre Praxiserfahrungen. Musikvermittler und -pädagogen, Wissenschaftler, Künstler sowie App-Entwickler nutzten die Tagung als Plattform für einen spartenübergreifenden Ideenaustausch.
Im Zentrum der Musikproduktion stehe heute nicht mehr ein fester Ort wie das traditionelle Aufnahmestudio, sondern der mobile Mensch mit seinem kreativen Potenzial, erklärte der Techblogger Peter Kirn in seinem Eröffnungsvortrag. Lange nach den ersten analogen Synthesizern, die in den 1960er Jahren aufkamen, ist die technische Ausrüstung im digitalen Zeitalter auf Taschenformat geschrumpft. Auf Music-Notepads lassen sich ohne großen Aufwand Partituren mit beliebig vielen Stimmen erzeugen. Internet-Musikdienste wie Soundcloud werden dazu genutzt, Audiodateien mit eigenen Kompositionen zu veröffentlichen und mit anderen Nutzern zu teilen.
Trotz der engen Verbindung zwischen Musik und digitalen Medien sind diese Entwicklungen an den Schulen bisher offenbar vorbeigegangen. Philipp Ahner, Professor für Fachdidaktik an der Musikhochschule Detmold sowie Abteilungsleiter und Lehrer am Beruflichen Schulzentrum Wangen, ist allerdings davon überzeugt, dass Klang-Apps Lernen und schöpferisches Gestalten fördern. SchülerInnen könnten sie dabei helfen, Klangphänomene selbstständig zu erkunden. In der Lehrerausbildung, so Ahners Kritik, spielten die neuen digitalen Medien aber kaum eine Rolle. Auch die Musikpädagogen Tobias Rotsch und Georg Harbig plädierten entschieden dafür, Medienbildung fest in Musik-Lehramtsstudiengänge zu integrieren. Appmusik und das Musizieren mit mobilen Endgeräten sind Teil eines von den beiden Experten entworfenen Kompetenzmodells für die Studienbereiche Musikpraxis, Musiktheorie, Musikwissenschaft, Musikpädagogik und Fach­didaktik.
An richtungsweisenden Beispielen aus der Praxis mangelt es nicht. Der Gitarrist Julian Quack und der Schlagzeuger Mika berichteten über das Projekt „app2music“. In AGs an Berliner Schulen leiten Profis Kinder dazu an, am Computer Musik zu kreieren. Initiiert wurde das Projekt von Matthias Krebs und Marc Godau von der Forschungsstelle Appmusik. Wie sich die virtuelle Sphäre mit der physischen Realität verbindet, demonstrierte der Drummer Tom Simonetti anhand der aus einem MIDI-Kontroller bestehenden Dada Machine. Die Kompositionen entstehen am Rechner, während Metallstößel per Notenbefehl Klänge an Instrumenten oder Alltagsobjekten wie Töpfen oder Flaschen erzeugen. Simonetti setzte die von Christian Heiß und Johannes Lohbihler erfundene Maschine bereits bei einem Projekt über den Komponisten Steve Reich an einer Schule ein.
Frauke Hohberger, die mehrere Appmusik-Projekte für Kinder und Erwachsene leitet, beschrieb ihre Arbeit in einem bildungsfernen Stadtteil von Hannover, wo eine siebte Klasse ein Jahr lang im Unterricht mit Tablets komponierte. Andere SchülerInnen produzierten in einem Sommercamp mit Hilfe von Apps Musik zum Thema Wasser. Unterstützt von Godau und Krebs experimentierten die Musikpädagogin Anja Fischer und die Musikerin Isabelle Stegner von der Kammerakademie Potsdam im Sommer 2016 in einem Kindergarten mit Musik-Apps. Bei dem Kooperationsprojekt des Orchesters und der Forschungsstelle Appmusik ging es unter anderem um digitale Liedbegleitung, Klangimprovisationen oder das Zusammenspiel von iPad und klassischem Instrument.
Auf einer Klangsafari durch die brandneue Elbphilharmonie in Hamburg können mit iPad und Kopfhörern ausgestattete Schüler Töne nicht nur auf und hinter der Bühne, sondern sogar in den Wänden aufspüren. Wie Pirkka Karppinen und Terhi Romu vom Education-Team berichteten, sind seit der Eröffnung des Hauses im Januar bereits meh­rere solcher Workshops abgehalten worden. Die Teilnehmer speichern Klänge über eine App, lernen elektronische Kompositionstechniken kennen und produzieren aus dem gesammelten Akustikmaterial eigene Miniaturwerke.
Dank der neuen digitalen Techniken können auch Kinder mit Beeinträchtigungen kreativ Musik gestalten. Ben Schögler, Mitbegründer und Kreativdirektor von Skoogmusic Ltd. in Edinburgh, stellte einen tastbaren Würfel vor, der in Verbindung mit einem iPad wie ein einfaches Instrument funktioniert. Mit Hilfe dieses Skoog-Geräts und der Anwendungssoftware Garageband können SchülerInnen auch ohne Keyboard oder Gitarre komponieren und ihre Stücke aufführen. Musiktherapeuten haben auf diese Weise bereits Kinder mit Zerebralparese, Autismus oder Down-Syn­­drom auf spielerische Weise ans Musizieren herangeführt.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 3/2017.