Geck, Martin

Mozart

Eine Biographie

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Rowohlt, Reinbek 2005
erschienen in: üben & musizieren 1/2006 , Seite 67

Martin Geck, emeritierter Professor für Musikwissenschaft der Universität Dortmund, legt rechtzeitig zum Jubiläumsjahr eine neue Biografie über Mozart vor. Die 27 Kapitel des Buchs sind symmetrisch angeordnet: Je zwölf Kapitel beschäftigen sich mit Leben und Werk, Kapitel 13 bis 15 sind Mozarts Ästhetik gewidmet. Die zentrale Stelle nimmt das Kapitel „Harlequin komponiert“ ein. Jedem Abschnitt ist eine holzschnittartige Illustration von F. W. Bernstein vorangestellt, von dem auch das Frontispiz stammt. Eine „Diskographie von A bis Z“, in der persönliche CD-Empfehlungen ausgesprochen werden, ergänzt die Neuerscheinung.
Die Biografie richtet sich „auch, aber nicht in erster Linie an Fachleute“. „Das beste Buch über Mozart,“ schreibt Geck, „ist eines, das uns neue Lust auf seine Musik macht.“ Der Autor wählt als Zugang zum Werk Mozarts die Metapher vom Harlequin, der im leibnitzschen Sinne „das Schwere angenehm machen“ kann und „ernste Wahrheiten immer wieder lächelnd präsentiert“. „Nur so lässt sich in den Augen des Komponisten eine humane Welt darstellen,“ schreibt Geck im Zusammenhang mit Figaro und Don Giovanni.
Der Vergleich mit Shakespeare drängt sich auf. Martin Geck zitiert Friedrich Rochlitz, der von „Mozarts shakespear’scher, allmächtiger Kraft im Großen, Prachtvollen, Schrecklichen, Furchtbaren, Erschütternden“ spricht. Ob Leibnitz, Rochlitz, Adorno oder Kierkegaard – der Autor liebt es, seinen LeserInnen Zeit- und Kulturgeschichtliches, Ästhetisches, Philosophisches, Psychologisches und Politisches zu vermitteln. Und manchmal schwirrt einem der Kopf. So schreibt Geck etwa über das Diener-Herren-Paar Leporello und Don Giovanni und zitiert innerhalb einer knappen Seite Werner Herzog (Fitzcarraldos Vergleich der Lebenseinstellung von Indianern mit der Oper), Ortega y Gasset (Vergleich Don Giovannis mit „seiner treuesten Freundin“, der Todesgöttin) und Goethe, indem er ihn abwandelt („Zwar liebt ich viel, doch möchte ich alle lieben“).
Wenn Geck vom „großen Aufatmen“ zwischen Bach und Beethoven schreibt, dann zeichnet er ein Mozart-Bild, das für die Jetzt-Zeit Gültigkeit haben kann: „keine Predigt, kein Bekenntnis, kein Ethos, kein deutscher Tiefsinn, sondern Freiheit […] Ahnung von absolutem Glück. […] Wollen Bach, Beethoven, Wagner, Schönberg mit uns teilen, wenn sie zu uns sprechen? Mozart teilt: seine Lust an den Verwirrspielen des Figaro, seine Freude an einer überraschenden harmonischen Wendung.“ Und er gesteht, dass „Harlequin Mozarts Blick auf eine Welt jenseits von gut und böse“ nicht die seine sei: „Aber ich folge ihm wie ein Kind – manchmal mit geschlossenen Augen, manchmal mit offenem Mund.“ Ein lesenswertes Buch – auch für alle diejenigen, die ohnehin Lust auf Mozart haben!
Anton Voigt