Bleek, Tobias / Ulrich Mosch (Hg.)

Musik

Ein Streifzug durch 12 Jahrhunderte

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Bärenreiter/Henschel, Kassel/Leipzig 2018
erschienen in: üben & musizieren 1/2019 , Seite 52

„Ich liebe Musik“, schrieb Martin Luther 1530. Nicht nur der Reformator war bekennender Musikliebhaber: Musik ist so alt wie die Menschheit, und folgerichtig lassen die Musikwissenschaftler Tobias Bleek und Ulrich Mosch ihren musika­lischen Streifzug auch lange vor Christi Geburt beginnen, bei Homer und Horaz, der Lyra und der Kithara, in einer Zeit, aus der überhaupt nur rund 50 Schriftfragmente mit Musik bekannt sind.
Diese antike „Musikgeschichte (fast) ohne Musik“ ist der Auftakt für eine faszinierende Reise durch die Jahrhunderte. Insgesamt 18 Autorinnen und Autoren haben sich mit den verschiedenen Epochen und ihren musika­lischen Strukturen befasst. Sie erzählen von Minnesängern, Trobadors und Sängerkapellen, vom Aufkommen der Oper und dem einst schlechten Ruf der Violine, von musizierenden Frauen und Rousseaus Theorien über Musik, von der Entwicklung der Notenschrift und ihren oft absonder­li­chen Ausformungen, von Jazz und dem Siegeszug der Dreigroschen­oper, von den ersten Schallplatten und der Musikverbreitung über die neuen Medien.
Ein wahrlich atemberaubendes Panorama, eine kluge Mi­schung aus wissenschaftlichem Sachverstand und unterhaltenden Geschichten aus der Musikwelt, die ein lebendiges Bild vergangener Klangwelten entwerfen: das Glockengeläut in einer Stadt im 15. Jahrhundert, die allzu lebhafte Geräuschkulisse in der Oper des 18. Jahrhunderts, die man schließlich durch ein der Aufführung vorangestelltes Musikstück zu bändigen suchte, die im Wien des 19. Jahrhunderts allgegenwärtigen Walzerklänge, allen voran der Donauwalzer, den eine Wiener Zeitung als „Schlager“ bezeichnete und damit diesen Begriff erstmals in Bezug auf Musik verwendete.
Daneben befasst sich das Buch ausführlich mit bekannten und weniger bekannten Protagonisten der Musikgeschichte, von den spätmittelalterlichen Josquin des Prez und Heinrich Isaac, die um den Posten des Leiters der Sängerkapelle in Ferrara wetteiferten, über Berühmtheiten wie Vivaldi, Mozart oder Verdi bis hin zum Multitalent Leonard Bernstein und John Cages Vorstellung eines Konzerts ganz ohne Musik. Und schließlich wird auch die außereuropäische Musikentwicklung nicht vernachlässigt, die afrikanischen Musiktraditionen, die mit den Sklaven in Amerika Fuß fassten und schließlich in den Blues mündeten, oder die meist mündliche Musiküberlieferung etwa in Indien oder in China.
Diese Vielfältigkeit macht diesen musikalischen Streifzug zu etwas Besonderem: Es ist ein Buch, in dem man blättern und schmökern kann, das einen auf wunderbare Weise in die Welt der Töne und Klänge versetzt, ein Buch zum Nachschlagen, zum Stöbern und zum Staunen, mal lehrreich und mal erbaulich, mal eher trocken – etwa wenn es um die Entstehung der Musiktheorie geht –, dann wieder ganz und gar unterhaltend. Kurz gesagt: ein Buch, das große Lust macht auf Musik.
Irene Binal