Heesch, Florian / Katrin Losleben (Hg.)

Musik und Gender

Ein Reader

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Böhlau, Wien 2012
erschienen in: üben & musizieren 3/2013 , Seite 57

Wozu dient dieser Reader? Wer sich in der Vergangenheit bereits für die Thematik Musik und Gender auch nur annäherungsweise interessiert hat, wer bereits aktiv nach Komponistinnen oder der Rolle der musizierenden Frau fragte oder den Forschungs­bereich Musikwissenschaft und Geschlecht gar selbst schon bearbeitet hat, kennt den einen oder anderen Artikel aus dem vorliegenden Band bereits. Doch selbst wer schon lange auf diesem Themenfeld unterwegs ist, kennt sicher nicht alle Aufsätze, die teilweise weit in die Vergangenheit der Musik-und-Gender-Forschung zurückreichen wie z. B. „Warum wurden Frauen nie große Komponistinnen?“ von Judith Rosen (von 1973). Die meisten Artikel stammen aus den 1990er Jahren und dem ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts.
Das Buch ist unterteilt in fünf Hauptkapitel, den fünf Haupt­feldern musikwissenschaftlicher Genderforschung entsprechend: I. Musikwissenschaft und Geschlecht (mit Auszügen aus Arbeiten von Eva Rieger, Susan McClary, Leo Treitler, Judith Rosen und Marcia J. Citron), II. Musikgeschichte (hier sind Annette Kreutziger-Herr, Susanne Rode-Breymann, Christine Ammer, Melanie Unseld und Simon Frith und Angela McRobbie vertreten), III. Biographik (Beatrix Borchard und Jane Bowers), IV. Analyse und Autorschaft (Ruth A. Solie, Carolyn Abbate, Richard Middleton, Annegret Huber) und V. Körper und Performanz (Freia Hoffmann, Robert Walser und Susanne G. Cusick).
Der besondere Verdienst der HerausgeberInnen ist zum einen die durchdachte Zusammenstellung dieser grundlegenden Beiträge. Schlüsseltexte sind sie alle, weil sie bei Erscheinen einen Sachverhalt erstmals beleuchtet, eine Frage neu formuliert, die bisherige Musikwissenschaft gegen den Strich gebürstet oder eine Diskussion in Gang gebracht haben. Dazu gehören auch ei­nige englischsprachige Artikel, erstmalig mit Übersetzung in die deutsche Sprache.
Zum anderen – und das ist die eigentliche Leistung der HerausgeberInnen – wird die Sammlung zum Reader durch die Einordnung, Kommentierung und Erläuterung der Artikel aus heutiger Sicht, mit heutigem Forschungsstand in den Kontext und die Publikationsgeschichte. So findet sich beispielsweise die Erklärung, warum Sophie Drinkers Buch Music and Women von 1948 zunächst keine allzu große Beachtung fand, sondern erst der so genannte Second Wave Feminism wirklichen Schwung in die musikwissenschaftliche Frau­enforschung brachte. Die Einleitung und die jeweils ca. drei- bis fünfseitigen Einführungen sowie das alle Artikel umfassende Stichwortregister helfen beim Auffinden und Entwickeln neuer Blickwinkel und Aspekte.
So dient das Buch zum einen als idealer Einstieg für Studierende oder Interessierte, die sich bisher mit der Thematik noch zu wenig beschäftigt haben, es dient aber auch allen Musik-Gender-Spezia­listInnen als eine hervorragende Ergänzung und Kompilierung bereits bekannten Materials.
Viola Karl