König, Bernhard

Musik und Klima

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: ConBrio/oekom verlag, ­Regensburg/München 2024
erschienen in: üben & musizieren 6/2024 , Seite 56

Durch die von Menschen im kurzen Zeitraum der Industrialisierung verursachte Entwicklung des Klimas auf unserem Planeten wird sich in absehbarer Zeit die Welt auf allen Kontinenten und in allen möglichen Lebensbereichen verändern. Bernhard König setzt sich in seinem Buch umfassend mit dieser Perspek­tive auseinander. Er untersucht die Funktionen, die Musik in ihren vielfältigen Erscheinungs- und Aktionsformen im Zusammenhang des Klimawandels hatte, hat und in Zukunft haben könnte. Er gibt eine sorgfältig recherchierte Bestandsaufnahme der vorhandenen und bei ungebremstem Ressourcenverbrauch voraussehbaren, für viele Menschen katastrophalen klimatischen Fakten und entwirft Zukunftsszenarien.
Die Überschriften der vier Teile des Buchs formulieren Fragen, die der Autor gründlich diskutiert: „Kann Musik die Welt schöner machen?“ (I), „Können Töne etwas ausrichten?“ (II), „Braucht Musik Wachstum?“ (III), „Können wir uns ändern?“ (IV). Die Kapitel und viele Unterkapitel leitet der Autor mit kurzen Fabeln ein, die die nachfolgende Thematik als Vorgänge im Tierreich modellieren.
König plädiert für den Eigenwert der Musik („Kunst muss nicht nützlich sein, um ihren Wert zu haben“). Gleichzeitig entfaltet er vielerlei Szenarien, in denen Musik – auch sogenannte „autonome Musik“ – helfen kann, „neue Haltungen und Weltsichten zu erlernen und einzuüben“. Denn: „Musik ist eine der ältesten Kulturtechniken zur Unterstützung transformativer Gruppenprozesse. In ihrem Erklingen ist seit jeher die Einladung enthalten: ‚Lass dich ein! Mach mit!‘“
Immer wieder verbindet König die Erörterung der Sachbereiche seines Buchs mit eigenen persönlichen Lernwegen als Künstler und Vermittler von Musik, den die Thematik des Klimawandels und der damit verbundenen Perspektiven auch für das Musikleben zusehends bedrängte. So erstreckte sich die Entstehung des Buchs über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten. Die vielen von König beschriebenen Projekte (etwa in Altersheimen und Hospizen, Schulen, Musizierpraxen mit Menschen verschiedener Religionen u. a.) sind – gerade auch in ihren Schwierigkeiten – Modelle, die ermutigen und Fantasie wecken.
In der in den vergangenen Jahren viel rezipierten Resonanztheorie des Soziologen Hartmut Rosa findet König eine theoretische Grundlage, die geeignet ist, wünschenswerte Wirkungen von Musik zu klären. Über Rosa hinausgehend skizziert er eine musikalische „Resonanzästhetik“ und zeigt Bedingungen für eine mit Musik denkbare Lebensweise auf, die sozial verantwortliche Fantasie, Resilienz und Suffizienz (die Fähigkeit zu nachhaltigem Lebensglück) ermöglicht.
Königs Untersuchungen und Anregungen basieren auf umfassender Kenntnis der (in einem sechzigseitigen Verzeichnis zusammengestellten) Fachliteratur. Aussagen werden differenziert belegt. Gelegentlich begegnen wiederkehrende Gedanken und eine bisweilen weit ausgreifende Darstellung. Stets aber schreibt der Autor fasslich und lebensnah, sodass sich das Buch spannend liest. Allen, denen daran liegt, Musik mit Verantwortung für die Zukunft zu betreiben und zu vermitteln, hilft dieses Buch enorm.
Ulrich Mahlert