Gaul (Hg.), Magnus

Musik und Zeit­management im digitalen Zeitalter

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2024
erschienen in: üben & musizieren 1/2025 , Seite 61

Der vorliegende Band setzt sich das Ziel, den Umgang mit Zeit aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Dieses Vorhaben wird im Rahmen von fünf Kapiteln entfaltet. Im ersten Abschnitt „Urphänomene im Kontext Zeit und Musik“ geht es um eine grundsätzliche Annäherung an die Thematik. So beschreibt Karlheinz Geißler vor- bis postmoderne Umgangsweisen mit der Zeit. Diese habe seit jeher menschliches Leben strukturiert. Die heutigen bzw. postmodernen Möglichkeiten, sich von Routinen und Abläufen der Natur befreien zu können, mündeten dabei allerdings nicht in eine größere Freiheit. Vielmehr würde „die Macht, die Zeit über uns ausübt“, nun über eine „andere, häufig sogar brutalere Art und Weise“ vonstattengehen.
Im zweiten Abschnitt werden „Musikpädagogische und musikdidaktische Implikationen“ in den Blick genommen. Das im Titel des Sammelbands erwähnte „digitale Zeitalter“ wird besonders in Matthias Seitz’, Katrin Rakoczys, Ulrich Fricks, Daniel Eberhards, Miles Tallons und Karina Gotthardts Untersuchung zu „Didaktischen Ideen für Vokalensembles aus der Zeit der Pandemie“ behandelt. Die AutorInnen weisen auf neue, während der Pandemie entwickelte „Ideen für Vokalensembles und Chöre“ hin, darunter Vocal Recording, Low Latency-Programme und Hybride Chor- und Ensembleproben. Anhand einer Online-Befragung stellen die AutorInnen fest, dass durch neue digitale Formate „echte Musikstunden nicht ersetzt werden“ können, diese aber „eine sinnvolle Ergänzung darstellen“. Dies gilt besonders für das Vocal Recording, bei dem die Sängerinnen und Sänger ihre eigene Stimme aufnehmen und so die eigene Partie selbstständig erlernen können.
Der dritte Abschnitt („Pädagogisch-konzeptionelle Zeitdimensionen“) blickt unter anderem auf Zeitzwänge im institutiona­lisierten Bildungswesen. Tania Schnagl betrachtet den Musikunterricht in der Grundschule. Hier seien alle Beteiligten einem strengen Zeitkorsett unterworfen, das aufgrund seiner Starrheit Lernerfolgen entgegenstehen könne. Rituale könnten hier helfen: „Für einen gewissen Zeitabschnitt bündeln sie die Aufmerksamkeit und lassen uns […] den Moment intensiver wahrnehmen.“ Im vierten („Digitale Transformationsprozesse in Bild und Ton“) und fünften Abschnitt („Visualisierung von Zeit“) stehen verschiedene Formen der Sichtbarmachung von Zeit im Mittelpunkt.
Die große Stärke des Sammelbands liegt in seiner interdisziplinären Anlage. Die AutorInnen stammen aus verschiedenen Disziplinen: neben der Musikpädagogik z. B. aus der Kunstgeschichte, Physik, den Neurowissenschaften, der Psychologie und mehr. So gelingt ein facettenreicher Blick auf das komplexe und vielschichtige Thema Zeitmanagement. Dieser Blick lädt ein, den Umgang mit Zeit in musikpädagogischen Settings genauer zu reflektieren. Die verschiedenen Aufsätze bieten hierzu reichhaltige Möglichkeit.
Matthias Goebel