Schmidt-Maritz, Frieda
Musikerziehung durch den Klavierunterricht
Eine Wegleitung zu musikalischer Bildung. Neuausgabe der zweiten Auflage von 1931, revidiert und kommentiert von Burkhard Muth
Das erste Drittel des 20. Jahrhunderts war für die Klavierpädagogik im deutschsprachigen Raum eine außerordentlich wichtige Zeit mit vielen bedeutsamen, oft reformpädagogisch beeinflussten neuen Veröffentlichungen. In diesem Zusammenhang steht das Buch von Frieda Schmidt-Maritz, das nun in einer Neuausgabe vorliegt.
Die Autorin zielt mit ihrer Konzeption von Klavierunterricht auf eine Förderung der seelischen Kräfte mit Hilfe der Musik. Die messbare Höhe der erreichten Leistung – vollends das einseitige Streben, immer schwierigere Stücke zu beherrschen – ist für sie kein Kriterium des Unterrichtserfolgs. Stattdessen tritt im Hauptteil des Buchs die Musik in ihrer ganzen Breite ins Blickfeld und wird systematisch auf ihren möglichen Beitrag zur Persönlichkeitsbildung untersucht.
So gut wie alle heute noch gültigen Lernfelder tauchen hier auf. Der größte Wert wird auf die Entwicklung der musikalischen Vorstellungsfähigkeit gelegt, die beim Singen und Bewegen ihren kindgemäßen Ausgang nehmen soll. Neben das Literaturspiel tritt gleichberechtigt die Improvisation. Eine der jeweils gespielten Literatur angemessene Kenntnis der Harmonie- und Formenlehre soll gewährleisten, dass die SchülerInnen ihre Stücke auch geistig durchdringen.
Methodisch setzt die Autorin vor allem auf die Lehrerpersönlichkeit, die durch genaue Einfühlung in das Seelenleben und den Entwicklungsstand des Schülers einen jeweils förderlichen Lehrgang gestalten soll. Sympathisch berührt ihr engagiertes Eintreten für das Recht auch des musikalisch schwach begabten Kindes auf eine ihm gemäße Förderung. Die Darstellung ist gut strukturiert, wenn auch stellenweise langatmig. Sie bleibt im Wesentlichen abstrakt und erreicht nirgends die anschauliche Lebendigkeit, die den Klassiker von Margit Varró (Der lebendige Klavierunterricht, 1928) bis heute so lesenswert macht.
Auffallend ist die konservative Grundhaltung der Autorin, die zur reformpädagogischen Aufbruchstimmung in unaufgelöstem Widerspruch steht. Gern spricht Schmidt-Maritz von der „edlen“ Musik, eine Formulierung, die dem künstlerisch Geglückten zugleich einen moralischen Rang zuweist. Sie äußert die Erwartung, dass die Beschäftigung mit dem „Schönen“ die Seele des Kindes auch für das Gute empfänglich machen werde. Alsbald wird auch der Widerpart des „Edlen“ dingfest gemacht: Es ist die Operetten- und Kaffeehausmusik, die „wie ein entkräftendes Gift auf unser höheres Wesen wirken“ könne. Dem zeitgenössischen Musikschaffen nähert sich die Autorin mit erkennbarem Misstrauen.
Die sorgfältig revidierte Neuausgabe kann als historisches Dokument Interesse beanspruchen. Neue Impulse für den Unterricht sind von der mehr als 80 Jahre alten Schrift kaum zu erwarten.
Sigrid Naumann