Ardila-Mantilla, Natalia / Peter Röbke / Hanns Stekel

Musikschule gibt es nur im Plural

Drei Zugänge

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Helbling, Innsbruck 2015
erschienen in: üben & musizieren 1/2016 , Seite 50

Musikschulen möchten individuelle Lebensperspektiven eröffnen, verstehen sich als kulturelle Kompetenzzentren einer Re­gion, möchten Lern- und Lebenswelten generationsübergreifend gestalten, mit Kindertagesstätten und allgemein bildenden Schulen kooperieren, ohne sich dabei von ihrer Kernaufgabe eines qualifizierten Einzelunterrichts abzuwenden; sie möchten die Spitze fördern und in der Breite wirksam bleiben. Die AutorInnen dieser kleinen Schrift wenden sich aus ihren verschiedenen Perspektiven diesem komplexen Bedingungsgefüge zu. Sie zeichnen Überdehnungen und Überforderungen nach, die sich aus dieser Aufgabenfülle in den begrenzten Ressourcen ergeben, und eröffnen Perspektiven, wie die hier bezeichneten neuen Herausforderungen angenommen werden können.
Die Musikschule muss demnach ihrer oft unterstellten Selbstbezogenheit widerstehen und sich zu einem nachhaltigen Kompe­tenzzent­rum entwickeln, indem sie unaufhörlich interagiert: „Das Alleinstellungsmerkmal der Musikschule ist, dass sie nie wirklich allein agiert. Ihre Einzigartigkeit als Institution liegt in ihrer Dialogbereitschaft.“
Peter Röbke zeichnet in seinen 22 grundlegenden Thesen die verschiedenen Arbeitsfelder der Musikschule nach und deutet an, wie sich die Musikschule als Kompetenzzentrum zwischen der Vermittlung musikalischer Basiskompetenzen und vorberuflicher Spitzenförderung bewegt und auf professionelle und kompetente Weise den individuellen Lebensperspektiven der Schülerinnen und Schüler nachkommen muss, ohne dass das berufliche Selbstverständnis ihrer Lehrkräfte in dieser komplexen Gemengelage untergeht.
Natalia Ardila-Mantilla zeichnet ihr Bild aus der Perspektive der Lehrkräfte. Ihr empirischer Zugriff „beschreibt und analysiert, wie MusikschullehrerInnen schon heute innerhalb der Institution verschiedene Wege gehen, und zeigt, wie die Musikschule stärker als bisher von dieser Pluralität der Arbeitsweisen und Zielvorstellungen ihres Personals profitieren könnte“. Deutlich wird, dass der Anspruch, sich über den klassischen Instrumentalunterricht hinaus in der regionalen Kulturarbeit zu engagieren, neue, differenzierte Arbeitsformen erfordert, die sich auch in einer angemessenen Honorierung widerspiegeln müssen.
Ein Interview mit Hanns Stekel, Leiter der Johann-Sebastian-Bach-Musikschule Wien, rundet diesen Band mit einem Blick in den musikpädagogischen Alltag ab.
Das Buch sei nicht nur all jenen empfohlen, die sich in ihrer Multiplikatoren- oder Leitungsfunktion der Schulentwicklung widmen, sondern besonders auch jenen Lehrkräften, die sich aktiv in diesem Feld bewegen und sich in übersichtlicher und pointierter Form ihres individuellen beruflichen Profils und des damit verbundenen Bildungsauftrags vergewissern möchten.
Jürgen Oberschmidt