Thielemann, Kristin
Musikschule mit (Mit-)Wirkung
Zukunft gemeinsam gestalten: Das Schweizer Forum Musikalische Bildung 2025 nahm das Miteinander in den Blick
Das Schweizer Forum Musikalische Bildung 2025 war auch in diesem Jahr wieder ein Ort visionärer Ausblicke: Mit inspirierenden Keynotes und kreativen Design-Thinking-Ansätzen beleuchtete der Kongress des Verbands Musikschulen Schweiz (VMS) – gewohnt interdisziplinär – Innovationen und aktuelle Strömungen, die unsere Arbeits- und Lernwelt schon heute nachhaltig prägen.
Was braucht die Musikschule von morgen, um in einer sich rasant entwickelnden und von Krisen geschüttelten Welt ein attraktiver Arbeits- und Lernort zu sein? Das ist die Frage, die Lehrkräfte bewegt.
Besonders gelungen waren auf den Kongressen der vergangenen Jahre stets die Blicke über den Tellerrand hinaus gewesen: wenn Keynote-Speaker aus den Bereichen Soziologie, Philosophie, Zukunftsforschung oder aus Musikschulsystemen anderer europäischer Länder auf der großen Bühne des Kongresshauses in Baden (Aargau) ihre spannenden Sichtweisen darlegten und sich im Anschluss lebendige Diskussionen entwickelten. Hier hat der Vorstand des VMS mit der ehemaligen Präsidentin Christine Bouvard-Marty und dem aktuellen Präsidenten Philippe Krüttli stets ein gutes Händchen bewiesen.
Das diesjährige Forum Musikalische Bildung, das zugleich die offizielle Feierstunde für 50 Jahre Verband Musikschulen Schweiz und für das Release des neuen, in frühlingshaftem Grün gehaltenen Logos des Verbands beinhaltete, eröffnete mit einem gestreamten Vortrag des Zukunftsforschers Raphael Gielgen. Seine Aufforderung an die Teilnehmenden, sich als ZukunftsgestalterInnen zu verstehen und nicht nur auf Veränderungen zu reagieren, sondern gezielt Strategien für die Zukunft zu entwickeln und als Musikschule eine aktive Rolle in einer sich verändernden Gesellschaft zu übernehmen, sprach nicht nur mir aus dem Herzen.
Die Matchwinnerin unter den Vortragenden – sowohl inhaltlich als auch rhetorisch – war Barbara Josef: Wirtschaftswissenschaftlerin, Unternehmerin und brillante Expertin für Innovationsprozesse. Die Mitinitiatorin des Schweizer Home Office Day (heute: Work Smart) stellte die zentrale Rolle von Gemeinschaft und Teamarbeit heraus und zeigte auf, wie sich Arbeitsräume zunehmend in Richtung Coworking Spaces verändern – Orte, die kreativen Austausch und flexible Zusammenarbeit fördern. Die gegenwärtige Zeit sei nicht mehr von Innovation um der Innovation willen geprägt, sondern von Krisenbewältigung und Resilienz. Die Herausforderung bestehe darin, in einer zunehmend individualisierten Welt kollektive Werte zu pflegen und gemeinsame Wege zu gehen. Die Musikschule könne dabei als Modell für kooperative Lern- und Gestaltungsprozesse dienen. Am 9. Mai wird Barbara Josef den Musikschulkongress des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) in Dresden eröffnen. Schon jetzt ist sie zu hören (und zu sehen) in Folge 54 des Musikpädagogik-Podcasts „Voll motiviert“, der zum ersten Mal auch als Video-Folge produziert wurde.
Stephan Huber, Schulentwicklungs-Experte und Entwickler des Lernsystems DigiLead, stellte seinen Ansatz „BIO – bewahren, innovieren, optimieren“ vor, der vielen KollegInnen aus der Unterrichts- und Schulleitungspraxis bekannt vorgekommen sein dürfte. Seine Aufforderung, einmal bewusst bestehende Strukturen zu reduzieren, um Raum für Neuerungen zu schaffen und mit mutigen Entscheidungen voranzugehen, setzt den Paradigmenwechsel von der Fehlersuche hin zu einer „Schatzsuche“ voraus, wie Huber, Inhaber des Lehrstuhls Leadership, Quality Management and Innovation der Johannes Kepler Universität Linz und stellvertretender Leiter der Abteilung für Bildungsforschung an der Linz School of Education, betonte.
Von vielen BesucherInnen mit Spannung erwartet wurde der Vortrag der KI-Experten Gilbert Nouno, Komponist, Digitalkünstler und Avantgarde-Forscher für musikalische Innovation, und Richard Eastes, interdisziplinärer Wissenschaftler, Pädagoge und Berater, der sich mit den Schnittstellen von Bildung, Wissenschaft und Gesellschaft beschäftigt und innovative Ansätze in der Wissenschaftskommunikation und Didaktik entwickelt. Die auf Französisch gehaltene Keynote wurde simultan übersetzt auf ein Headset übertragen, doch durch die vielen Hörbeispiele aus musikgenerierenden KIs sowie Large Language Models entstand ein ziemliches Hin und Her zwischen den Kopfhörern und den Live-Beispielen im Saal.
Das neue Digitalisierungskonzept des VMS1 wurde hierbei zum Anschauungsmaterial. Ob als Podcast mit einem Stimmenklon oder live vor Publikum zum KI-Song generiert: Viele Anwesende staunten nicht schlecht über die Möglichkeiten, deren Chancen für die musikpädagogische Praxis erst noch in den Musikschulen ausprobiert und von der forschenden Musikpädagogik begleitet werden müssen. Es fehlten explizite Hinweise auf die Gefahren der KI-Nutzung im Kontext des Musikunterrichts: Insbesondere Datenschutz und Persönlichkeitsrecht gerieten mangels Zeit leider stark ins Hintertreffen.
Raum zum Entwickeln kreativer Ideen für die Zukunft der Musikschulen gab es bei den Gruppenarbeiten. Mit „Lego Serious Play“ und klassischen Design Thinking Tools2 tüftelten die Teilnehmenden an teilweise abenteuerlichen Ideen und Lösungen, die in dieser Form zwar nicht umgesetzt werden können, aber als Ideengeber für zukünftige Entwicklungsprozesse dienen. Ob die Ergebnisse einen dauerhaften Umgestaltungsprozess für die Musikschule der Zukunft in Gang gesetzt haben, blieb fraglich. Interessant hingegen zu sehen, wie durch die spielerische Herangehensweise des Design Thinkings spannende Diskussionen zu teilweise völlig anderen musikpädagogischen Themenfeldern entstanden.
Eine schöne Tradition der Veranstaltung ist die Prämierung innovativer Good-Practice-Beispiele aus Schweizer Musikschulen – ein Stimmungsbarometer dafür, welche Projekte Musikschulen als so herausragend betrachten, dass sie für dieses Format eingereicht werden. Waren es beim vorigen Forum Musikalische Bildung im Jahr 2023 noch Apps und digitale Projekte, die dem Publikum ein Raunen entlockten und prämiert wurden, standen in diesem Jahr Beiträge mit dem Schwerpunkt Teilhabe und Inklusion ganz oben auf dem Treppchen.3 Wenn wir diese Entwicklung weiterdenken, könnten schon bald Projekte entstehen, die mit Digitalität und KI neue Zielgruppen erschließen – Menschen, die wir bisher noch nicht mit Musikschulunterricht erreichen.
Fazit: Das Forum Musikalische Bildung 2025 konnte eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass es keinesfalls Digitalität und Künstliche Intelligenz alleine sein werden, die Musikschulen zukunftsfähig machen, sondern dass Musik und aktives Musizieren, handgemachter, kreativer und vielfältiger Unterricht sowie das Zustandekommen von Zwischenmenschlichem der eigentliche Schatz sind, den wir an diesem Wochenende in Baden im Aargau gefunden haben. Innovation bedeutet eben nicht nur, technologische Fortschritte zu nutzen, sondern auch neue Formen der Zusammenarbeit und Mitgestaltung. Denn: „Während Maschinen immer besser darin werden, Maschinen zu sein, müssen Menschen immer besser darin werden, menschlicher zu sein.“ (Andrew J. Scott, Professor an der London Business School)
1 Musikschulen im digitalen Zeitalter – Digitalisierungskonzepot des VMS, https://view.genially.com/675093a0ec5d7b513bb014c4 (Stand: 13.3.2025).
2 für eine Übersicht und Erklärung verschiedener Design Thinking Methoden siehe https://designthinking-methods.de (Stand: 13.3.2025).
3 Kongressdokumentation und prämierte Good-Practice-Beispiele unter https://www.verband-musikschulen.ch/de/veranstaltungen/FMB/fmb-2025 (Stand: 13.3.2025).
Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 2/2025.