Krämer, Thomas

Musikwissen!

231 Fragen und Antworten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2015
erschienen in: üben & musizieren 2/2016 , Seite 44

Im Fernsehen herrscht die große Abfragerei. Und wer am meisten oder gar alles weiß, wird bei Günter Jauch Millionär. Quiz ist „in“. Gibt es schon eine Quizsendung, die sich mit Musik beschäftigt? Nein? Dann kann man sich Thomas Krämers Buch kaufen, ein musikalisches „Wer wird Millionär“-Brevier – nur dass man hier leider nichts gewinnen kann.
An wen richtet sich dieses Buch? Musiktheoretische Laien sind heillos überfordert, der Kenner wird sich rasch langweilen. Der Klappentext nennt den „Musikliebhaber“ als Adressaten (was Kenner wie Laien einschließt). Was muss dieser Liebhaber nun wissen?
Krämer hat Musikwissen! in sechs Kapitel gegliedert: Von der „Geschichte der Musik“, ihren Epochen, Stilen, Werken, geht es zum „Wesen der Musik“, was unter anderem Tonleitern, Intervalle, Gattungen und Formen meint. „Die Aufführung von ­Musik“ fragt nach Vortragsbezeichnungen oder Besetzungen. „Komponisten und ihre Werke“ stehen auf dem Programm, nach „Jazz, Rock, Pop“ wird gefragt und nach „berühmten Interpreten“. Die ausführlich formulierten Fragen findet man auf den rechten Buchseiten, die Lösungen auf der jeweiligen Rückseite. Alles findet im Multiple-Choice-Verfahren statt, eine durch­aus kritisch zu sehende Testmethode…
Beispiel: Zur Frage „Komponierende Frauen sind in der Geschichte der Musik – außer in unserer Zeit – eine große Ausnahme. Wer war keine Komponistin?“ stehen drei Lösungen zur Auswahl: a) Anna Magdalena Bach, b) Clara Schumann, c) Fanny Hensel. Als richtige Lösung ist a) genannt und Bachs zweite Frau wird zwar als „gute Sängerin“ apostrophiert, ansonsten aber als „nicht kreativ tätig“, was wohl zu diskutieren wäre. Das Beispiel mag symptomatisch stehen für die Eindimensionalität solcher Quizfragen und ihrer Beantwortung. Wenngleich positiv anzumerken ist, dass Krämer in den Lösungsabschnitten auf alle drei Lösungsvorschläge relativ ausführlich zu sprechen kommt. So hat man dann doch noch einen kleinen Erkenntnisgewinn.
Wenn man es nicht nur als Quiz-Spaß ansieht, so ist das Buch symptomatisch für den Wandel von der Bildungsgesellschaft zur Wissensgesellschaft. All das abgefragte „Musikwissen“ bleibt für sich gesehen nutzlos, bleibt Halbwissen, wenn der Musikliebhaber nicht befähigt wird, es zu „Eigenem“ umzuarbeiten, das man „im Geiste umwendet“ (Bildungsforscher Jochen Krautz). Da wäre es doch an Thomas Krämer, Verfasser einer Reihe musiktheoretischer Fachbücher, eine unterhaltsame Musiklehre zu schreiben, die erklärt, bevor sie fragt. In diesem Musikwissen! wird gefragt, bevor erklärt wird.
Günter Matysiak